DIE NEUE EU-MASCHINENVERORDNUNG: MEHR (RECHTS-)SICHERHEIT

Mit der neuen EU-Maschinenverordnung soll beim Thema Maschinensicherheit innerhalb der EU endlich für mehr Klarheit gesorgt werden. Die Verordnung löst die seit 2009 gültige Richtlinie 2006/42/EG ab. Wir erklären, was sich mit ihrer Veröffentlichung alles ändert.

VON DER RICHTLINIE ZUR VERORDNUNG

Die Maschinenrichtlinie der EU ist die rechtliche Grundlage für den freien Handel von Maschinen. Denn sie regelt einheitlich die Sicherheitsanforderungen für das Herstellen, Betreiben und Inverkehrbringen von Maschinen.

Das Ziel war ein Regelwerk für einen einheitlichen europäischen Binnenmarkt, in dem gleiche Sicherheitsstandards gelten und Produkte somit frei verkehrsfähig machen. Neben dem gesamten EU-Wirtschaftsraum hatte die Richtlinie auch für die Schweiz, Liechtenstein, die Türkei, Norwegen und Island Gültigkeit. Darüber hinaus haben sich auch viele außereuropäische Länder an der Richtlinie 2006/42/EG orientiert.

Richtlinie lässt Interpretationsspielraum

Dass die Maschinenrichtlinie ab 2023 (mit einer Übergangszeit) von der EU-Maschinenverordnung (MVO) abgelöst wird, hat verschiedene Gründe. Einer davon ist die größere Verbindlichkeit bei der Umsetzung der Anforderungen in nationales Recht.

Unterschiedliche Auslegungen der Richtlinie konnten selbst im Detail für Rechtsunsicherheiten sorgen, wenn Hersteller ihre Anlagen oder Maschinen in einen anderen EU-Mitgliedstaat ausführen wollten.

Um derartige Hindernisse und den damit verbundenen Verwaltungsaufwand in Zukunft zu minimieren, wird an Stelle der Richtlinie jetzt also eine Verordnung veröffentlicht: Diese hat direkte Gesetzeskraft und muss nicht erst in nationales Recht umgesetzt werden.

Regelungen auf dem neuesten Stand der Technik

Mit der „Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Maschinenprodukte“ entspricht das Regelwerk auch wieder dem aktuellen Stand der Technik. Zwar wurde die Richtlinie fortlaufend durch harmonisierte Normen aktualisiert. Durch die schnell fortschreitenden technologischen Entwicklungen ist die neue Verordnung jedoch sinnvoll.

Das gilt vor allem vor dem Hintergrund der wachsenden Bedeutung von Künstlicher Intelligenz und Cybersicherheit. Auch bei diesen Themen soll mit der neuen Verordnung EU-weit für Rechtsklarheit gesorgt werden.

Darüber hinaus wurde die Verordnung genutzt, um bestehende Rechtsvorschriften (z. B. „Blue Guide“) anzugleichen. Darin zeigt sich ebenfalls das Bestreben, die Anforderungen für Maschinensicherheit in der EU insgesamt auf eine zeitgemäße Basis zu stellen.

Nach der Übergangszeit sind die Regelungen der Verordnungen dann ab Ende 2026 verbindlich.

EU-MASCHINENVERORDNUNG GILT FÜR DIE GESAMTE LIEFERKETTE

Eine der wichtigsten Änderungen im Rahmen der MVO ist die Erweiterung des Gültigkeitsbereichs. Das heißt, dass die Verordnung alle Marktbeteiligten betrifft.

Dadurch müssen nicht nur Hersteller und Betreiber von Maschinen die geltenden Anforderungen für die Maschinensicherheit kennen und einhalten, sondern genauso (Online-)Händler von Maschinen und Gebrauchtmaschinen, Importeure und Bevollmächtigte. Die Ausweitung der Regelungen auf die gesamte Lieferkette soll zusätzlich für Sicherheit sorgen.

DAS IST NEU IN DER EU-MASCHINENVERORDNUNG

Zudem greift die MVO neue Themen auf (wie die oben bereits angesprochene Cybersicherheit), führt neue Begriffe ein oder klärt bestimmte Sachverhalte konkreter. Wir erläutern die wichtigsten Veränderungen.

Neuer Begriff: „Wesentliche Modifikation“

Der neu eingeführte Begriff der „wesentlichen Modifikation“ hängt eng mit dem geforderten Konformitätsbewertungsverfahren der CE-Kennzeichnung zusammen. Gemeint sind damit physische oder digitale Veränderungen an einem Maschinenprodukt, die

  • nach dem Inverkehrbringen bzw. der Inbetriebnahme entstanden sind,
  • für den Hersteller nicht vorhersehbar waren und
  • die zu Abweichungen des Produkts von den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen führen können.

Eine wesentliche Veränderung kann deshalb ein erneutes Verfahren für die Kennzeichnung erforderlich machen. Die MVO klärt aus diesem Grund die Bedingungen, unter denen eine solche Modifikation tatsächlich vorliegt.

Neuer Begriff: „Hochrisiko-Maschinen“

Ebenfalls neu ist der Terminus „Hochrisiko-Maschine“ sowie die dazugehörigen Klassifizierungsregeln. Prinzipiell sind unter diesem Begriff alle Maschinen gefasst, die durch ihre Konstruktion und/oder ihren Verwendungszweck zu einem Risiko für die Gesundheit werden können. Anhang I zu Artikel 5 der MVO enthält die dazugehörige Liste.

Die Auflistung möglicher Hochrisiko-Maschinen berücksichtigt ebenso die fortschreitende Digitalisierung von Maschinen und Maschinensteuerungen. Aus diesem Grund wurden unter anderem Maschinen aufgenommen, in denen KI-Systeme Sicherheitsfunktionen übernehmen. Ähnliches gilt für Software, die für Sicherheitsaufgaben eingesetzt wird. Hierunter fallen auch KI-System im Allgemeinen.

Für die Einstufung als Hochrisiko-Maschine sind einerseits die Wahrscheinlichkeit und andererseits die Schwere des möglichen Schadens maßgeblich. Relevante Kriterien sind dabei beispielsweise die Anzahl der potenziell betroffenen Personen, der Grad des Schadens, die mögliche Umkehrbarkeit des entstandenen Schadens und einige weitere.

Es besteht aber für alle Maschinen, die nicht unter die Hochrisiko-Einstufung fallen, die Möglichkeit einer internen Kontrolle durch den Hersteller, um die Konformität festzustellen.

NEU: RISIKOBEWERTUNG & AUTONOMES MASCHINENVERHALTEN

Für Maschinen, die über die Möglichkeit zu einem sich entwickelnden und autonomen Verhalten verfügen, wird die Risikobewertung für Sicherheit und Gesundheitsschutz durch die MVO erweitert.

Das bedeutet, dass bei der Prüfung auch solche Risiken berücksichtigt werden müssen, die erst nach dem Inverkehrbringen durch das autonome Verhalten der betreffenden Maschine entstehen können.

In Zukunft wird eine eigene EU-Verordnung zur Künstlichen Intelligenz die Grundlage zur Beurteilung von KI-Risiken bilden.

Digitale Betriebsanleitungen und Konformitätserklärungen

Die MVO stellt auch explizit fest, dass Betriebsanleitungen und Konformitätserklärungen von den Herstellern in digitaler Form zur Verfügung gestellt werden können. Voraussetzungen hierfür sind eindeutige Angaben darüber,

  • wo die digitale Version der Betriebsanleitung eingesehen oder heruntergeladen werden kann;
  • welche Version der Anleitung dem Maschinenproduktmodell entspricht.

Für die digitalen Betriebsanweisungen und Konformitätserklärungen muss außerdem sichergestellt werden, dass sie auf jedem Endgerät geöffnet und gespeichert werden können. Hierüber gab es im Entwurf der MVO jedoch noch keine klaren Vorgaben. Die Vorschrift, auf Nachfrage eine Papierversion aushändigen zu können, bleibt aber weiterhin bestehen.

GROSSES THEMA: DIGITALISIERUNG UND CYBERSICHERHEIT

Wie die Ausdehnung des Begriffs der Hochrisiko-Maschinen um KI-Elemente schon gezeigt hat, erhalten Themen rund um die Digitalisierung und Cybersicherheit einen großen Platz innerhalb der MVO. In vielen Bereichen wird es deshalb Anpassungen geben.

Ergänzungen und Anpassungen bisheriger Regelungen

Das gilt etwa für die Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen zur Ergonomie, die in Zukunft auch Mensch-Maschine-Interaktionen umfassen. Anpassung der Schnittstellen, Reaktion der Maschine auf den Bediener oder die Kommunikation geplanter Handlungen der Maschine an den Bediener sind einige der Punkte, die hierunter fallen.

Die Vorgaben sollen dabei helfen, Belästigungen, Ermüdung oder körperliche bzw. psychische Überbeanspruchung zu reduzieren. Diese und weitere Anforderungen beziehen sich auch auf Maschinen und Anlagen mit lernender KI. Zu diesen Anforderungen zählen

  • Sicherheit und Zuverlässigkeit von Steuerungen,
  • potenzielle Risiken durch bewegliche Teile und
  • Ergonomie.

Grundlegende Anforderungen an die IT-Sicherheit

Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Internet of Things: Diese Themen bestimmen auch die Herstellung von Maschinen und Anlagen. Umso wichtiger ist vor diesem Hintergrund der Sicherheitsaspekt, insbesondere im Hinblick auf mögliche Manipulationen durch Dritte.

Durch die Verbindung mit anderer Hardware (etwa in intelligent vernetzten Industrieanlagen) oder durch Angriffe auf die Software der Maschinen von außen können zusätzliche Risiken entstehen. Die MVO enthält deshalb verschiedene grundlegende Anforderungen, um Sicherheit und Gesundheit auch unter solchen Bedingungen gewährleisten zu können.

Die Verordnung fordert dazu unter anderem, dass

  • der Anschluss an oder die Kommunikation mit einer anderen Einrichtung nicht zu gefährlichen Situationen führen darf;
  • die Konstruktion von sicherheitsrelevanten Bauteilen eine (unbeabsichtigte oder vorsätzliche) Verfälschung durch den Anschluss anderer Einrichtungen nicht zulässt;
  • Maschinen für die Hardwarekomponenten und für die Software Belege für rechtmäßiges sowie unrechtmäßiges Eingreifen dokumentiert;
  • Software und Daten, die für die Konformität gemäß der Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen der MVO maßgeblich sind, identifizierbar und besonders gegen mögliche Verfälschungen geschützt sind.

Vollkommen neu sind die neuen Anforderungen an die Cybersicherheit nicht. Sie finden sich etwa in den Regelungen des EU Cybersecurity Act (CSA) sowie in verschiedenen harmonisierten Normen und anderen Richtlinien. Damit bestehen bereits verschiedene Zertifizierungsverfahren für Produkte, Dienste und Prozesse im IT-Bereich. Mit der MVO werden vermutlich ähnliche Rahmenbedingungen für die Hersteller, Händler, Importeure und Bevollmächtigte von Maschinen und Anlagen abgesteckt.

 

Eigenständige Gesetzesentwürfe für den Umgang mit Daten und Künstlicher Intelligenz

Regelungen zu Künstlicher Intelligenz und dem sicheren Umgang mit Daten sollen in eigenen Gesetzen in deutlich größerem Umfang behandelt werden als in der MVO. Die EU-Kommission arbeitet dazu an zwei neuen Gesetzen:

  • Die „Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung harmonisierter Vorschriften für Künstliche Intelligenz (Gesetz über Künstliche Intelligenz)“ wird bereits seit 2021 verhandelt. Es legt unter anderem verschiedene Anwendungsbereiche und Risikoklassen fest, anhand derer das Inverkehrbringen, die Inbetriebnahme und die Verwendung von KI-Produkten reguliert werden sollen.

Wegen der starken Überschneidungen zwischen Maschinen und der Anwendung von KI besteht die Möglichkeit, dass Marktbeteiligte in Zukunft beide Verordnungen berücksichtigen müssen.

  • Das EU-Datengesetz (European Data Act) soll einerseits den Zugang zu Daten erleichtern und andererseits eindeutige Regelungen im Hinblick auf Nutzungsrechte schaffen. Das Ziel ist eine breitere Nutzung industrieller Daten. Der Data Act legt dazu die rechtlichen Grundlagen, um Rechte und Pflichten für Nutzer, Hersteller und Dateninhaber klar zu definieren.

Wie genau sich diese Gesetze in der Praxis von Unternehmen auswirken, bleibt noch abzuwarten. Ähnlich wie die EU-Maschinenverordnung stehen die fertigen Fassungen der beiden EU-Gesetze noch aus.

JETZT SCHON AUF DIE ANFORDERUNGEN VON MORGEN EINSTELLEN

Größere rechtliche Verbindlichkeit, mehr Klarheit und das Aufgreifen wichtiger technischer Entwicklungen: Mit der neuen EU-Maschinenverordnung bemüht sich die EU, die bisher gültigen Richtlinien an aktuelle Gegebenheiten anzupassen und die rechtlichen Grundlagen für die weitere technische Entwicklung zu schaffen.

Die steigenden Anforderungen an Sicherheit und Gesundheitsschutz – etwa durch den neuen Schwerpunkt Cybersicherheit oder den erweiterten Anwendungsbereich – tragen dabei nicht zuletzt den wachsenden Risiken Rechnung, die in der Industrie 4.0 für Menschen und Maschinen bestehen. Für den EU-Binnenmarkt bedeutet die MVO eine einzige Rechtsgrundlage, an der sich alle Marktbeteiligten in Zukunft orientieren können.

 

Bild 1: Adobe Stock © BigBlueStudio

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