Fachkräftemangel in der Transportbranche: Mögliche Lösungsansätze

Schon seit einigen Jahren weisen Experten auf einen drohenden Fachkräftemangel in verschiedenen wirtschaftlichen Bereichen hin. Deshalb ist die derzeitige Mangelsituation bei Fahrern in der Transportbranche nicht so plötzlich gekommen, wie manche Betroffene meinen.

Die Transport- und Logistikbranche gilt schon lange als besonders gefährdet. Aktuell beklagen viele Unternehmen bereits einen akuten Fahrermangel, nicht zuletzt aufgrund des Ukraine-Krieges. Wie wird diese Entwicklung weitergehen? Welche Lösungsansätze gibt es?

 

DIE AKTUELLE PERSONELLE SITUATION IN DER TRANSPORTBRANCHE

Transport- und Logistikfirmen beklagen einen sich verschärfenden Fahrermangel. Bisher war die Rede von etwa 40.000 fehlenden Fahrern. Dieser Mangel hat sich aktuell verschärft. Manche Fachkräfte haben während der Coronakrise ihre Tätigkeit aufgegeben und sich nach Alternativen umgesehen.

Eine aktuelle Konjunkturumfrage des DIHK (Deutscher Industrie- und Handelskammertag) zeichnet ein zunehmend düsteres Bild für die personelle Situation in der Transportbranche: Über 70 Prozent der befragten Unternehmen klagen über Personalmangel.

Diese Lage hat sich seit Februar 2022 durch ein Ausreiseverbot für ukrainische Männer weiter verschlechtert. Der Fahrermangel weitet sich aus, und die Situation beschränkt sich nicht auf Deutschland. In der Folge des Brexits in Großbritannien war der Anblick leerer Regale ein deutliches Signal dafür, was personelle Engpässe in der Transportbranche bedeuten können.

In Zahlen ausgedrückt steht der Fachkräftemangel in Deutschland für bis zu 80.000 fehlende Fahrer. Für ganz Europa sind etwa 400.000 Stellen in diesem Bereich zu besetzen.

Etwa 75 Prozent der derzeitig in Deutschland beschäftigten Fahrer in der Logistik- und Transportbranche sind über 55 Jahre alt. Das zahlenmäßige Verhältnis zwischen Fahrern, die in Rente gehen, und solchen, die eine Ausbildung abschließen, ist dabei denkbar ungünstig. Während jährlich um 40.000 Fahrer in Rente gehen, beenden durchschnittlich 16.000 ihre Ausbildung.

 

Arbeitsplatzwegfall

Diese Entwicklung gefährdet Arbeitsplätze in der gesamten Branche. Ist ein Fahrer-Arbeitsplatz erst einmal weggefallen, wird es schwierig, ihn erneut zu etablieren. Davon sind auch angrenzende Industrien betroffen, die besonders auf die Leistungen der Transportbranche angewiesen sind.

 

Auftragsablehnungen

Der Mangel an qualifiziertem Personal gefährdet nach Aussage vieler Betroffener die Umsatzerwartungen der Transportunternehmen. Sie müssen derzeit bei an sich guter bis sehr guter Auftragslage bereits Kundenanfragen ablehnen, weil nicht ausreichend Personal zur Verfügung steht. Das ist eine problematische Entwicklung in Zeiten, in denen die Lieferketten zusätzlich unter anderen Engpässen wie Materialmangel leiden.

 

Harter Kampf um Personal

Die Unternehmen in der Transport- und Logistikbranche kämpfen untereinander immer härter um Arbeitskräfte. In diesem Kampf können besonders kleinere und mittelständische Unternehmen auf der Strecke bleiben. Sie können die steigenden Anforderungen an Gehälter und Arbeitsbedingungen nicht bewältigen.

 

Mangel an Laderaum, Versorgung und Alternativen

Der Fachkräftemangel gefährdet Wachstumsziele in der Branche. Es entsteht ein akuter Laderaummangel, der Transportzeiten und Preise für die Kunden steigen lässt.

Gesamtwirtschaftlich sind die Folgen einer weiteren Verknappung beim Fahrpersonal noch gar nicht abzusehen. Hier sind gravierende Versorgungsmängel auch bei lebenswichtigen Gütern wie Lebensmitteln im Bereich des Möglichen. Der EU-Warenverkehr ist insgesamt betroffen.

Zu vielen Transporten auf der Straße gibt es (noch) keine Alternative auf der Schiene. Güter, die beispielsweise über den Seeweg in Containern die Umschlagplätze an den Küsten erreichen, müssen häufig immer noch mit dem LKW weiter transportiert werden. Der Schienenverkehr hat zudem bei seinem derzeitigen Ausbaustand bald seine Kapazitätsgrenzen erreicht. Experten verorten diese Kapazitätsgrenze der Bahn derzeit bei etwa 130 Milliarden Tonnenkilometer.

Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2020 machen es deutlich: Rund 120 Milliarden Tonnenkilometer auf der Schiene stehen rund 487 Milliarden Tonnenkilometern auf der Straße gegenüber. Insgesamt bewegt sich der Güterverkehr in Deutschland zu über 70 Prozent auf der Straße.

 

DAS SIND DIE GRÜNDE FÜR PERSONALMANGEL

Die unterschiedlichsten Faktoren wirken auf die personelle Situation in der Transport- und Logistikbranche ein:

  • Das Frachtaufkommen steigt seit Jahren stetig. Seit 2013 verzeichnen die Statistiken einen jährlichen Anstieg um mindestens 1 Prozent. Dafür haben unter anderem die zunehmende Digitalisierung und Globalisierung gesorgt. An sich sind das positiv wirtschaftliche Faktoren, die die Nachfrage an Transportleistungen steigen lassen.

Durch das höhere Handelsaufkommen verändern sich die Anforderungen an die Leistungen beim Transport. Immer schneller und konsequent zeitgebunden sollen Güter von A nach B gebracht werden.

  • Viele Industrien haben sich im Zuge der Digitalisierung durch Just-In-Time-Prozesse von einer umfassenden Lagerhaltung verabschiedet. Das betrifft unter anderem die Auflösung lokaler Lager im grenzüberschreitenden Güterverkehr. Auch diese Entwicklungen sorgen für mehr Nachfrage beim Güterverkehr auf der Straße.
  • Im Vergleich mit der Schiene erweist sich der Güterverkehr mit dem LKW oft als günstiger. Wie sich diese Situation mit den steigenden Preisen bei Kraftstoffen verändern wird, ist noch nicht abzusehen. Moderne LKW sind wesentlich sparsamer als ältere Modelle.
  • Es kommt hinzu, dass sich viele Fahrer in der Transportbranche diesen Beruf persönlich nicht mehr leisten können und wollen: Geringe Gehälter, schlechte Arbeitsbedingungen und der ansteigende Stress auf der Straße machen den Beruf nicht attraktiv. Wer eine Möglichkeit zum Wechseln findet, wechselt.

Im Ausbildungssektor entscheiden sich viele junge Menschen von vornherein für eine andere Tätigkeit. Viele, gerade junge Menschen haben heute andere Vorstellungen von einem Leben in Balance. Sie sind nicht mehr bereit, fast ihr ganzes Leben auf der Straße zu verbringen, fernab von Familie und Freunden.

  • Das Image des Fahrerberufes ist noch immer schlecht. Nicht nur die direkten Arbeitsbedingungen, sondern auch das gesamte Umfeld halten Belastungen für die Betroffenen bereit. Eine schlechte Parkplatzsituation und immer wieder LKW-Staus an innereuropäischen Grenzen tragen zur Unbeliebtheit des Berufes bei.
  • Bürokratische Anforderungen und steigende Kriminalität auf der Straße belasten die Fahrer auf den Straßen von ganz Europa.
  • Die Situation auf dem Arbeitsmarkt ist derzeit für viele Branchen insgesamt schwierig, um Fachkräftemangel in der Transportbranche auszugleichen. In Zeiten niedriger Arbeitslosenzahlen stehen nicht genug freie Arbeitskräfte zur Verfügung, die sich für eine Tätigkeit als Fahrer interessieren würden. Arbeitskräfte sind zurzeit begehrte Ressourcen. Die Logistikbranche mit ihren harten Arbeitsbedingungen und schlechten Löhnen kämpft besonders darum, vorhandene Fachkräfte zu halten und neue anzuziehen. Im Vergleich mit den Angeboten anderer Industrien kann sie nicht immer bestehen.
  • Der Ukraine-Krieg hat den Fachkräftemangel in der Transportbranche nochmals verschärft. Insider beklagen den Ausfall von potenziell über 100.000 Fahrern aus der Ukraine. Dieser Ausfall gefährdet um die 7 Prozent des gesamten Transportvolumens in Deutschland. Je länger der Krieg andauert, desto schwieriger wird die Gesamtsituation.

 

MÖGLICHE LÖSUNGEN

Auf verschiedenen Ebenen versuchen verschiedene Akteure, dem Fachkräftemangel in der Transportbranche entgegenzusteuern:

  • Einige Unternehmen setzen auf attraktivere Gehälter und Arbeitsbedingungen. Hier entbrennt ein Wettstreit zwischen großen und kleinen Transportunternehmen. Nicht selten bleiben die kleineren dabei auf der Strecke, weil sie höhere Gehälter nicht zahlen können.
  • Effizienzsteigerung bei den Transporten ist ebenfalls ein Thema. Transportunternehmen arbeiten verstärkt mit ihren Kunden zusammen, um mit verringerter Fahrerzahl durch Bündelung die zuverlässige und zeitgerechte Lieferung von Waren sicherzustellen.
  • LKW-Fahrer werden besser ausgebildet, um mit der zunehmenden Automatisierung von Lkw-Transporten umgehen zu können. Das verbessert auch die Wertschätzung und das Image des Berufsstandes. Unternehmen bieten verstärkt Weiterbildungsmaßnahmen und Aufstiegschancen für die Fahrer.
  • Die Automatisierung könnte mittel- bis langfristig ebenfalls den Fachkräftemangel in der Branche abmildern helfen. Allerdings ist es bis zur technischen Reife fahrerloser LKW noch ein weiter Weg. Es wird lange dabei bleiben, dass die automatisch fahrenden Fahrzeuge zumindest von einem Menschen begleitet werden müssen.
  • Von staatlicher Seite wird versucht, durch Regelungen von Fahrzeiten und Arbeitsbedingungen attraktivere Umfelder für das Fahrpersonal zu schaffen. Es gibt auch Ansätze dazu, die Arbeitsmigration in diesem Bereich zu erleichtern.

Aktuell suchen bereits viele Unternehmen nach Fahrern aus dem Ausland. Die Suche gestaltet sich jedoch schwierig. Fahrermangel ist ein gesamteuropäisches Problem. Hier stehen die Länder untereinander im Wettbewerb.

 

  • Bei der Anwerbung von Fachkräften gehen viele Unternehmen neue Wege. In den sozialen Netzwerken machen Sie potenziellen Fahrern attraktive Angebote. Dabei werden auch Kurzzeitverträge angeboten, um Interessierten die Möglichkeit zu geben, einmal in eine Tätigkeit als Fahrer „hineinzuschnuppern“. Die Unternehmen erhoffen sich, nach der „Schnupperphase“ einige Menschen für eine Festanstellung gewinnen zu können.
  • Den Fachkräftemangel bewältigt die Transportbranche nicht allein. Nicht umsonst werden regelmäßig Transport- und Logistikunternehmen in ihrer Gesamtheit betrachtet. Notwendig ist eine noch engere Zusammenarbeit in allen Bereichen von Transport und Logistik.

Je effektiver alle Beteiligten zusammenarbeiten, desto effektiver gestaltet sich das gesamte Transportwesen. Auf diese Weise lässt sich häufig mit weniger personellen Ressourcen die geforderte Leistung erbringen. Das ist für alle Akteure in den Unternehmen ein Kraftakt, trägt aber dazu bei, Transport und Logistik insgesamt zu sichern.

  • Im akuten Mangelfall der ganzen Branche könnte eine Priorisierung von Transporten eine größere Rolle spielen. Hier müssten einfache Konsumgüter hinter lebenswichtigen Versorgungsgütern zurückstehen. Das ist keine optimale Lösung, weil sie das gesamte wirtschaftliche Wachstum belastet.

Eine derartige Einteilung von Transporten in „lebenswichtig“ und „nicht lebenswichtig“ ist deshalb nur eine Notlösung im Falle einer verstärkt krisenhaften Entwicklung. Allerdings könnten solche Überlegungen mit Blick auf die weiter steigenden Preise für Kraftstoffe zunehmend relevant werden.

  • Die Auswirkungen der Kraftstoff- und Energiekrise sind in diesem Beitrag noch nicht berücksichtigt. Was hier zu erwarten ist, wird sich erst noch bis zum Jahresende und darüber hinaus zeigen. Sicher ist aber, dass die Transportbranche von den steigenden Kraftstoffpreisen weiter belastet wird. Sie muss diese Preise an Kunden weitergeben, was die allgemeine Preissteigerung
  • Der Ausbau der Schiene wird häufig als ein Lösungsansatz gesehen, um die Nachfrage nach LKW-Transporten zu verringern. Maßnahmen sind in diesem Bereich langwierig und teuer. Außerdem ist nicht garantiert, dass bei höherer Schienenkapazität auch mehr Transport auf der Schiene nachgefragt wird.

Hier spielen Preis und Infrastrukturbedingungen in ihrer Gesamtheit eine Rolle. Für viele Industrien ist der Transport auf der Schiene immer noch die einfachere Lösung. Das gilt vorrangig, weil Straßentransporte fast von überall her zugänglich sind. In Zukunft sind clevere Infrastrukturkonzepte gefragt, die von Verkehrsplanern für ganz Deutschland entwickelt werden müssen.

 

FAZIT: DIE EINE LÖSUNG GIBT ES NICHT

Es gibt keine Einzellösung, die den Fachkräftemangel in der Transportbranche beheben könnte. Nur die Kombination von kurz- und langfristigen Maßnahmen kann Abhilfe schaffen. Dabei ist nicht sicher, ob die Mangelsituation in den nächsten fünf Jahren überhaupt beseitigt werden kann.

Die Prognosen sind von verschiedenen Faktoren wie der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung und der Bewältigung verschiedener akuter Krisen abhängig. In der derzeitigen Situation ist nicht einmal sicher, wie sich die Nachfrage im nächsten Jahr gestalten wird. Inflation, Energiekrise und Lieferengpässe belasten Industrien und Menschen. Unter Umständen führt eine Konjunkturkrise zu einbrechendem Konsum und zu verringerter Nachfrage.

Alles in allem sind das keine guten Aussichten, weil sie zwar das Problem des Fachkräftemangels nicht weiter verstärken, aber insgesamt die Wachstumsaussichten der Transportbranche eintrüben.

 

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