Häfen sind für die internationale Verteilung von Gütern unerlässlich – der weltweite Handel wäre ohne die großen Containerhäfen nicht denkbar. Wir stellen die wichtigsten der europäischen Seehäfen nach ihrem jährlichen Containerumschlag vor.
WELCHE FAKTOREN FÜR DAS RANKING ENTSCHEIDEND SIND
Das wichtigste Instrument, um die (wirtschaftliche) Bedeutung von Containerhäfen zu vergleichen, ist der Containerumschlag. Für diese Zusammenfassung der größten Häfen in Europa wurden deshalb die jährlichen Mengen dieses Containerumschlags herangezogen.
Der RWI/ISL-Containerumschlag-Index
Für eine Einordnung gibt es allerdings auch andere Möglichkeiten. Das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (vormals Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung) erfasst die Entwicklungen des weltweiten Containerumschlags etwa mit Hilfe des RWI/ISL-Containerumschlag-Index. Dieser beruht auf den Zahlen, die im Rahmen des ISL Monthly Port Monitor fortlaufend in 94 internationalen Häfen erhoben werden.
Anhand der auf diese Weise gesammelten Angaben – die immerhin über 60 Prozent des internationalen Containerumschlags abdecken – lassen sich Rückschlüsse über aktuelle Entwicklungen im Welthandel ziehen. Die Resultate des Indexes werden in Punkten angegeben.
Der Nordrange-Index
Neben dem international gültigen RWI/ISL-Containerumschlag-Index gibt der Nordrange-Index Aufschluss über die Entwicklungen im Import und Export. Allerdings umfasst er nur die wichtigsten kontinentaleuropäischen Häfen an der Nordsee.
Berücksichtigt werden dabei die Containerhäfen von Antwerpen, Rotterdam, Bremerhaven und Hamburg. Daneben können auch die Umschlagszahlen weiterer Häfen in den Index einfließen, darunter Le Havre, Zeebrugge, Amsterdam, Wilhelmshaven, Dünkirchen oder Göteborg.
Der Nordrange-Index ist deswegen so aussagekräftig, weil über diese wenigen Häfen rund 80 Prozent des europäischen Imports und Exports laufen.
Die einzelnen Containerhäfen lassen sich dennoch einfacher vergleichen, wenn die unmittelbaren Containerumschlagszahlen herangezogen werden. Die Daten für das Ranking stammen von Port Economics (Stand: April 2023).
WAS BEDEUTET DIE EINHEIT „TEU“?
Die Abkürzung TEU steht für „Twenty Foot Equivalent Unit“ und meint die Standardcontainergröße von 20 Fuß. Die Angaben im Ranking geben also Aufschluss darüber, wie viele dieser Standardcontainer im Jahresverlauf in den jeweiligen Häfen abgewickelt wurden.
DIE PLÄTZE 15 BIS 4 DER GRÖSSTEN EUROPÄISCHEN CONTAINERHÄFEN
Fünfzehn Containerhäfen haben es in das Ranking für 2022 geschafft. Die Liste entspricht mit wenigen Ausnahmen und Platzänderungen nominell den Vorjahren. Das gilt vor allem für die Spitzenplatzierungen, die mit ihrem Umschlagspensum deutlich vor den übrigen Häfen liegen.
Das bedeutet wiederum nicht, dass es keine Überraschungen gibt. Einige davon werden aber voraussichtlich erst in der Zukunft konkreter. Denn gerade bei den Häfen, die zwischen 1,5 und 2,5 Millionen TEU jährlich abwickeln, zeichnet sich einige Konkurrenz ab.
Häfen wie La Spezia, Koper oder Klaipeda schlagen mittlerweile auch mehr als 1 Million TEU um, dazu holen weitere Häfen wie Gothenburg, Gdynia, Dublin und Triest weiter auf. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass in die Top 15 der europäischen Containerhäfen in den kommenden Jahren mehr Dynamik kommt.
Platz 15: Marseille | 1,53 Millionen TEU
Der Hafen von Marseille blickt auf eine lange Tradition zurück. Der Grundstein für den heutigen Europort wurde 1844 gelegt, um den seit der Antike bestehenden Vieux Port (Alten Hafen) in seiner Funktion abzulösen. Mit dem neuen Hafen sollte die Schifffahrt auf dem Mittelmeer und der Rhone eine bessere Verbindung erhalten.
Er setzt sich aus verschiedenen Anlagen zusammen, Container und Öl werden hauptsächlich über den Port-de-Fos abgewickelt. Marseille zählt zu den wichtigsten Häfen im Mittelmeer, obwohl die Konkurrenz durch die vergleichsweise nah gelegenen Häfen von Valencia, Barcelona, Genua und Giaio Tauro groß ist. In Frankreich ist der Europort von Marseille der größte Seehafen.
Platz 14: Sines | 1,66 Millionen TEU
Portugals größter Containerhafen liegt südlich von Lissabon in Sines. Der Tiefseehafen soll in naher Zukunft deutlich vergrößert werden, es geht dabei um Investitionen in Milliardenhöhe. Die geplanten Ausbauten sehen unter anderem eine Erweiterung des bisherigen Terminals 21 sowie der Bau eines weiteren Terminals, das nach dem berühmtesten Sohn der Stadt, Vasco da Gama, benannt werden soll.
Die neuen Anlagen sollen mehr Schiffe abfertigen können und den Hafen von Sines international wettbewerbsfähig machen. Dazu gehören auch Pläne, das Terminal Vasco da Gama mit der Infrastruktur für den Umschlag von Flüssiggas (LNG) auszustatten. Darüber hinaus wird in Sines ein Logistikzentrum eingerichtet, mit dem der Hafen zum Hauptumschlagplatz für Obst aus Brasilien im Mittelmeer avancieren würde.
Platz 13: Danzig | 2,07 Millionen TEU
Danzig verfügt über den größten Hafen Polens und einen der bedeutendsten Containerhäfen im Ostseeraum. Er spielt als östlichster eisfreier Tiefseehafen in Europa eine wichtige Rolle bei der Verbindung der skandinavischen Länder mit Süd- und Mitteleuropa (Transport Corridor No. 6) und könnte seine Stellung noch weiter ausbauen.
Das liegt unter anderem am stark wachsenden Umschlag von Rohöl sowie die geplante Erweiterung der Kapazitäten um 50 Prozent bis 2025. Dazu entsteht derzeit ein neues Terminal (Terminal 3), die Terminals 1 und 2 werden erneuert.
Platz 12: Genua | 2,8 Millionen TEU
Der Containerhafen von Genua profitiert von seiner hervorragenden logistischen Anbindung, vor allem die Anschlüsse an Autobahn und Eisenbahn sowie der im Hafenbecken gelegene Flughafen tragen dazu bei. Der flächenmäßig größte Seehafen Italiens soll weiter ausgebaut werden, um größere Containerschiffe abfertigen zu können. Neue Verkehrsverbindungen sollen zudem den Gütertransport von Genua ins nordalpine Europa verbessern.
Platz 11: Marsaxlokk | 2,89 Millionen TEU
Wie nahezu alle Mittelmeerhäfen kann auch der Hafen der maltesischen Gemeinde Marsaxlokk auf eine lange Geschichte zurückblicken. Bekannt ist er nicht nur für die bunten, traditionellen Fischerboote. Der Containerhafen ist auch der zweitgrößte der Insel und einer der wichtigsten im Mittelmeerraum.
Platz 10: Le Havre-Rouen | 3,1 Millionen TEU
Der Hafen von Le Havre gehört zum HAROPA PORT-Verbund, zusammen mit den Häfen von Rouen und Paris. Sie bilden gemeinsam den fünftgrößten Hafen für Nordeuropa, allein der Containerhafen von Le Havre schlägt mehr als die Hälfte aller Container für ganz Frankreich um. Wie viele andere Containerhäfen wird auch der nordfranzösische Seehafen umgestaltet, um in Zukunft Mega-Carrier mit einer Kapazität von bis zu 24.000 TEU abwickeln zu können.
Platz 9: Gioia Tauro | 3,37 Millionen TEU
Der größte Seehafen Italiens liegt inzwischen an der „Stiefelspitze“: Der Hafen von Gioia Tauro wurde erst 1995 eröffnet und hat sich wegen seiner günstigen Lage zwischen Gibraltar und dem Sueskanal zu einem der wichtigsten Containerhäfen im Mittelmeerraum entwickelt. Auf dieser Route fungiert der Hafen auch als Transshipment-Hub.
Platz 8: Barcelona | 3,52 Millionen TEU
Der Port de Barcelona erstreckt sich über rund 20 km2, die gesamte Anlage umfasst 35 Terminals mit speziellen Funktionen – vom Fährbetrieb über Kreuzfahrten bis hin zu den vier Containerterminals. Dazu kommen Umschlagplätze für Südfrüchte, Kakao, Kaffee, NE-Metalle, Kühlgüter sowie neuen Terminals für Flüssigkeiten, Schüttgüter und Flüssiggas.
Der damit erzielte Umschlag macht den Hafen von Barcelona zum drittgrößten in Spanien.
Platz 7: Bremerhaven | 4,57 Millionen TEU
Das Container-Terminal von Bremerhaven ist einer von insgesamt acht Häfen in Bremen und im Vergleich die größte Anlage im Bundesland. Errichtet wurde sie ab 1968, in Betrieb ist der Containerhafen seit 1971.
Mit einer Kaje von 5 km Länge gehört der Container-Terminal zu den größten zusammenhängenden Anlagen dieser Art weltweit. Nach Hamburg ist es der zweitgrößte Containerhafen in Deutschland.
Platz 6: Algeciras | 4,76 Millionen TEU
An der Südspitze Spaniens, unmittelbar an der Straße von Gibraltar, liegt mit Algeciras der zweitgrößte Containerhafen Spaniens. Seine Bedeutung verdankt die Anlage nicht zuletzt der verkehrsreichen Ost-West-Schifffahrtsroute, die an dem Hafen vorbeiläuft.
Während Algeciras im europäischen Vergleich 2022 nur knapp die Top 5 verpasst hat, besteht mit dem Hafen von Tanger auf der marokkanischen Seite der Straße von Gibraltar starke Konkurrenz um den Containerumschlag in dieser Region.
Platz 5: Piräus | 5 Millionen TEU
Griechenlands größter Seehafen hat eine lange Geschichte, denn die Anfänge des Hafens von Piräus reichen zurück bis ins 5. Jahrhundert v. Chr. – als hier der Hafen für das nahegelegene Athen entstand. Der Seehafen ist historisch wie wirtschaftlich bedeutsam.
Dieser Umstand dürfte auch für das chinesische Unternehmen COSCO ausschlaggebend gewesen sein, in den Hafen von Piräus zu investieren: Seit 2009 ist der Konzern Pächter neben der ursprünglichen Betreibergesellschaft, 2016 übernahm COSCO 51 Prozent und damit die Mehrheit am griechischen Seehafen.
Platz 4: Valencia | 5,08 Millionen TEU
Im Mittelmeerraum und in Spanien konnte der Hafen von Valencia 2022 seine Spitzenreiterposition bewahren. Mit Investitionen der Schweizer MSC-Tochter Terminal Investment Limited in Höhe von rund einer Milliarde Euro sollen die Kapazitäten um ein zusätzliches viertes Terminal gebaut werden. Neben weiteren Liegeplätzen gehört auch ein Eisenbahnterminal zu den Plänen für die neue Anlage.
CONTAINERUMSCHLÄGE DER GRÖSSTEN EUROPÄISCHEN SEEHÄFEN 2022 | ||
Platz | Hafen | Containerumschlag
(in Mio. TEU) |
1 | Rotterdam | 14,46 |
2 | Antwerpen – Brügge | 13,48 |
3 | Hamburg | 8,27 |
4 | Valencia | 5,08 |
5 | Piräus | 5 |
6 | Algeciras | 4,76 |
7 | Bremerhaven | 4,57 |
8 | Barcelona | 3,52 |
9 | Gioia Tauro | 3,37 |
10 | HAROPA (Le Havre – Rouen – Paris) | 3,1 |
11 | Marsaxlokk | 2,89 |
12 | Genua | 2,8 |
13 | Danzig | 2,07 |
14 | Sines | 1,66 |
15 | Marseille | 1,53 |
DIE TOP 3 DER EUROPÄISCHEN CONTAINERHÄFEN
Die drei größten Seehäfen Europas bilden regelrecht eine Klasse für sich, blickt man auf die Unterschiede bei den jährlichen Umschlagsleistungen im Vergleich zu den übrigen Häfen: In Rotterdam wurden 2022 knapp über 9 Millionen TEU mehr abgewickelt als im immerhin viertplatzierten Hafen von Valencia.
Platz 3: Hamburg | 8,27 Millionen TEU
Der Hamburger Hafen bleibt unbestritten der größte in Deutschland, die Umschlagszahlen seiner vier Containerterminals machen ihnen sogar zu einem der größten Häfen weltweit. Pläne für eine Erweiterung der Anlagen um neue Container-Terminals bestehen zwar schon seit einigen Jahren, werden aber aufgrund der schwankenden Warenumschläge nicht priorisiert.
Eine Beteiligung einer COSCO-Tochterfirma könnte einen neuen Aufschwung bringen in Form zusätzlicher Ladung. Immerhin ist China der größte Handelspartner des Hamburger Hafens, mit einem Anteil von rund 30 Prozent der Waren, die nach China verschickt werden oder von dort kommen.
Platz 2: Antwerpen-Brügge | 13,48 Millionen TEU
Seit 2022 haben sich die Häfen von Antwerpen und Zeebrügge zusammengeschlossen, wodurch der zweite Platz des Seehafens in Europa gefestigt und der Abstand bei den Umschlagszahlen auf Rotterdam noch einmal verringert werden konnte. Seine wirtschaftliche Bedeutung geht auf die günstige Lage zurück: Fünf europäische Hauptstädte und die Metropolregion Rhein-Ruhr liegen in einem Umkreis von 250 km.
Ähnlich wie Hamburg ist Antwerpen ebenfalls kein „echter“ Seehafen, der Dockhafen liegt rund 80 km landeinwärts an der Schelde-Mündung. Dank der größten Dockschleuse der Welt können dennoch problemlos auch die großen Containerschiffe hier anlanden.
Platz 1: Rotterdam | 14,46 Millionen TEU
Auch wenn Antwerpen-Zeebrügge durch die Fusion gegenüber dem Port of Rotterdam aufholen konnten, bleibt der niederländische Hafen im Rhein-Maas-Delta in Europa die Nummer 1. Durch die Lage an einer der am dichtesten befahrenen Wasserstraßen weltweit ist der Seehafen nicht nur für die Niederlande, sondern für ganz Europa ein erheblicher Wirtschaftsfaktor: 2021 macht der Umsatz des Hafens allein etwa 8 Prozent des niederländischen Bruttoinlandprodukts aus.
Deshalb soll der Hafen, dessen Gebiet sich rund 40 km von der Innenstadt bis an den Hoek von Holland und über 100 km2 erstreckt, weiter ausgebaut werden. Vorgesehen sind etwa Vertiefungen für den Nieuwe Waterweg und Botlek, um die Erreichbarkeit für große Schiffe zu verbessern. Bis Mitte 2024 soll außerdem das Containerterminal Masvlakte II um neue Kaimauern mit einer Länge von rund 1.000 m erweitert werden – für eine geschätzte Ausweitung der Kapazitäten um etwa 2 Millionen TEU.
Obwohl es in den vergangenen Jahren insgesamt zu einem Rückgang der Umschlagszahlen in den europäischen Seehäfen kam, ist die Nachfrage weiterhin so hoch, dass viele dieser Häfen derartige Erweiterungen planen oder bereits umsetzen.
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