EIN ÜBERBLICK
An nachhaltigem Denken und Handeln über die Zukunft des Güterverkehrs auf der Straße führt für die Logistik-Branche kein Weg mehr vorbei. Hersteller arbeiten intensiv an neuen Antrieben für ihre Lkws, die mit alternativen Kraftstoffen fahren und neue Technologien nutzen, denn die Zeit für den Dieselmotor läuft ab. Flüssiggas (LNG), Wasserstoff, Brennstoffzellen und Elektromotoren stehen dabei im Fokus.
Stand 2022 werden rund ein Drittel der Treibhausgasemissionen im Bereich Verkehr durch Nutzfahrzeuge verursacht, wobei schwere Lkw mit Dieselmotoren wegen ihrer hohen Fahrleistungen für den Großteil an CO2 verantwortlich sind. Zwar sind die Emissionen pro Tonnenkilometer seit 1995 durch effizientere Motoren, eine verbesserte Reinigungstechnik für Abgase und qualitativ höherwertigen Kraftstoff gesunken, andererseits stieg die gesamte Verkehrsleistung des Güterverkehrs auf der Straße laut Umweltbundesamt im selben Zeitraum um rund 74 Prozent.
Das Klimaschutzprogramm 2030 der deutschen Bundesregierung hat deshalb das Ziel ausgegeben, dass im schweren Straßengüterverkehr bis zum Ende des Jahrzehnts rund ein Drittel der Fahrleistungen mit Elektroantrieben, beziehungsweise auf der Grundlage von strombasierten Kraftstoffen erbracht werden soll.
WIE SCHNELL KANN DER AUSTAUSCH GELINGEN?
Nutzfahrzeuge für den schweren Güterverkehr auf der Straße erbringen pro Jahr sehr hohe Fahrleistungen, weshalb ihre Nutzungsdauer kurz ausfällt. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr sieht deshalb im Austausch von herkömmlichen Lkw-Flotten gegen alternative Antriebe als wirksame Maßnahme gegen die CO2-Emissionen von Dieselfahrzeugen.
Die bekannte Unternehmensberatung Boston Consulting Group hat zu diesem Thema eine Studie durchgeführt. Danach werden rund 35 Prozent aller neu zugelassenen leichten Lkw bis sechs Tonnen und 26 Prozent schwerer Lkw über 15 Tonnen im Jahr 2030 über andere Antriebe als Dieselmotoren verfügen.
Bain & Company, eine weitere große US-amerikanische Unternehmensberatung, kommt zu anderen Ergebnissen. Das Unternehmen hat eine Befragung unter 565 Flottenmanagern in Deutschland, Spanien, Frankreich und Großbritannien durchgeführt, von denen 60 Prozent angaben, bereits bis 2025 Fahrzeuge zu kaufen, die mit Wasserstoff oder Strom fahren, zumindest aber über eine hybride Technologie verfügen. Angepeilt ist ein Ziel von 50 Prozent Anteilen an Fahrzeugen mit alternativen Antrieben. Dadurch werden die Lkw-Hersteller nicht wenig unter Druck gesetzt und müssen ihre bisherigen Geschäftsmodelle umstellen.
Allerdings sehen die Studienherausgeber die europäische Lkw-Branche in einer komfortablen Ausgangslage, da sie in den letzten Jahren durch ihre Bemühungen eine höhere Kundenloyalität erreicht hätten. Die Ursachen dafür sind in einer Senkung der Betriebskosten, einer Erhöhung der Zuverlässigkeit und einer gezielteren Ausrichtung auf Kundenbedürfnisse zu sehen.
Aktuell sind Lkw mit batterieelektrischen Motoren, Wasserstoff- und Brennstoffzellen sowie mit hybriden Antrieben (Diesel und Oberleitung) im praktischen Einsatz auf der Straße nur selten anzutreffen. Bei den leichten Nutzfahrzeugen (LNF) mit bis zu 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht sind bereits größere Stückzahlen mit E-Motor und Akkus auf dem Markt. Schwere Nutzfahrzeuge (SNF) ab 3,5 Tonnen hingegen befinden sich meist noch in der Entwicklung oder sind über ein Vorserienstadium noch nicht herausgekommen. Parallel dazu lässt die erforderliche Infrastruktur an Ladestellen und Oberleitungen stark zu wünschen übrig. Deren Netz muss massiv ausgebaut werden, um eine flächendeckende Versorgung in der Zukunft gewährleisten zu können.
Auch hierzu liefert die Studie von Bain & Company interessante Aussagen. Derzeit stehen noch die Gesamtbetriebskosten eines Lkw im Vordergrund, an zweiter und dritter Stelle Zuverlässigkeit und Service. Für die Zukunft richten die Verantwortlichen ihren Fokus jedoch zuerst auf die Reichweite, gefolgt von Fahrleistung, Effizienz sowie Zuverlässigkeit.
WELCHE ANTRIEBE WERDEN DERZEIT GETESTET?
Die Lkw-Hersteller experimentieren mit verschiedenen Möglichkeiten, ihre Produkte ganz oder weitestgehend emissionsfrei auf die Straße zu bringen. Dazu zählen:
- Flüssiggas und Bio-Flüssiggas (LNG und Bio-LNG)
- hydrierte Pflanzenöle (HVO)
- Wasserstoff- und Brennstoffzellen
- Elektromotoren
- hybride Lösungen mit Dieselverbrennern und Oberleitungen
In den folgenden Abschnitten werden die verschiedenen Antriebe, ihr Entwicklungsstand sowie ihre Vor- und Nachteile beschrieben.
FLÜSSIGERDGAS, FLÜSSIGGAS, UND BIO-FLÜSSIGGAS
Flüssiggas, engl. Liquefied Petroleum Gas (LPG) und Flüssigerdgas engl. Liquefied Natural Gas (LNG) zählen zu den bekanntesten Lösungen, um Diesel zu ersetzen. Der fossile Brennstoff besteht hauptsächlich
- aus Methan (LNG)
- oder aus Butan und Propan (LPG).
Bio-Flüssiggas kann aus unterschiedlichen Arten von Biomasse wie Abfällen und Lebensmittelresten gewonnen werden. Die Biomasse wird dabei anaerob, das heißt ohne Sauerstoffzufuhr, vergoren und anschließend gereinigt. Am Ende liegt ein Produkt aus reinem Methan und einem geringen Anteil CO2 vor.
LNG, LPG und Bio-LNG erlauben große Reichweiten und gelten als etwas umweltschonender, da sie in Verbrennern einen hohen Wirkungsgrad erreichen und weniger Emissionen ausstoßen als Diesel. Die Gase werden auf Temperaturen zwischen -161 °C bis -164 °C heruntergekühlt und auf diese Weise verflüssigt. Dadurch sinkt das Volumen auf lediglich ein Sechshundertstel der ursprünglichen Menge, was diese Alternativen hervorragend geeignet macht für Transporte über lange Strecken. Zudem ist die Technik, die auf Dieselmotoren basiert, bereits serienreif und ermöglicht Reichweiten von bis zu 1.600 Kilometern.
Gegenüber Diesel bestechen die verschiedenen Gase durch einige Vorteile. So lassen sich die Emissionen von Treibhausgasen um bis zu 22 Prozent senken. Bio-LNG kann in vielen Ländern bereitgestellt werden, und vorhandene Biomasse hat ein großes Potenzial für dessen Produktion. Außerdem ist das Tankstellennetz in ganz Europa bereits recht gut ausgebaut und wächst weiter. Erdgas ist allerdings ein fossiler Brennstoff, dessen Ressourcen irgendwann erschöpft sein werden. Zusätzlich erforderliche Technik macht diese Fahrzeuge teurer als herkömmliche Nutzfahrzeuge mit Dieselantrieb.
HYDRIERTE PFLANZENÖLE
Hydrierte Pflanzenöle oder Hydrogenated Vegetable Oils (HVO) weisen eine große Ähnlichkeit mit konventionellem Diesel auf und können in den meisten Motoren genutzt werden. Deshalb entstehen keine erhöhten Fahrzeugkosten. Die Produktion von HVO erfolgt aus diversen Bioölen wie Palmöl, Kiefernöl, tierischen Fetten und anderen pflanzlichen Altölen. HVO kann pur getankt oder mit fossilem Diesel gemischt werden. Die CO2-Emissionen des Kraftstoffs sind auf Grund der Herstellung aus Bioölen niedriger, der Energiegehalt ist jedoch genauso groß wie bei Diesel. Ein weiterer Vorteil ist, dass das vorhandene Tankstellennetz verwendet werden kann.
Festzustellen sind aber auch Nachteile. So ist die Verfügbarkeit der Rohstoffe, also der Bioöle, begrenzt. Besonders umstritten ist die Produktion aus Palmöl und aus Abfällen aus der Palmölproduktion. Denn für den Anbau der Pflanzen und die Gewinnung des Öls werden große Flächen an Regenwald abgeholzt und zerstört. Dadurch entstehen einerseits negative Auswirkungen auf das globale Klima, andererseits leidet die Biodiversität in diesen Regionen stark.
WASSERSTOFF- UND BRENNSTOFFZELLEN
Lkw mit Brennstoffzellen stellen mittel- bis langfristig eine realistische Option dar. Dabei bieten sich zwei Möglichkeiten an, mit denen die CO2-Emissionen von Lastkraftwagen um bis zu 100 Prozent gesenkt werden können. Der Antrieb erfolgt entweder über eine Brennstoffzelle, in der gasförmiger Wasserstoff mit Sauerstoff reagiert und dadurch Strom erzeugt, der einen Elektromotor versorgt. Oder der Wasserstoff wird als Kraftstoff für einen Verbrennungsmotor genutzt.
Besonders umweltfreundlich ist der Antrieb, weil als Abgas lediglich Wasserdampf freigesetzt wird und keine Emissionen von CO2, Stickstoffoxiden und Feinstaub entstehen. Die großen Lkw-Hersteller arbeiten daran, die Technologie voranzutreiben und kooperieren dazu auch mit anderen Unternehmen, beispielsweise aus der Kraftstoffbranche.
Ein Verbrennungsmotor mit Wasserstoff bietet im Vergleich zur Brennstoffzellentechnik den Vorteil, dass kein großes System zur Energiespeicherung erforderlich ist. Die Kühlleistung kann ebenfalls geringer ausfallen. Auch an die Reinheit des Wasserstoffs werden mit einem Verbrenner geringere Anforderungen gestellt.
Leider hat die Technik ebenfalls einen Haken. Lkw mit Wasserstoff- und Brennstoffzellen kommen laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts auf eine Reichweite von nur 300 bis 400 Kilometern. Ein 40-Tonner mit herkömmlichem Dieselantrieb schafft hingegen bis zu 2.500 Kilometer. Das ist jedoch nicht die einzige Hürde, die der Wasserstoffantrieb noch meistern muss, denn nachhaltig ist er nur, wenn er mit erneuerbaren Energien erzeugt wird, Stichwort: grüner Wasserstoff. Die wichtigsten Energieträger wie Kohle und Erdgas sind derzeit aber immer noch fossiler Natur. Insgesamt erfordert die Wasserstoffproduktion einen hohen Energieaufwand und ist auf Grund stark schwankender Preise nur schwer zu kalkulieren.
LKW MIT ELEKTROMOTOREN
Die größte Schwierigkeit bei Elektroantrieben für Lastkraftwagen stellt die aktuelle Akkutechnologie dar, da sie noch keine befriedigenden Reichweiten bieten kann. Ein Durchbruch lässt deshalb auf sich warten. 18- und 25-Tonner führender deutscher Hersteller kommen inklusive Ladung auf etwa 200 Kilometer. Die gängigen und weit verbreiteten Lithium-Ionen-Batterien sind teuer, schwer und nicht von langer Lebensdauer. Trotzdem fördert das BMDV auch Elektro-Lkw mit beträchtlichen Summen.
Denn die Vorteile von Elektrofahrzeugen sprechen für sich. Strom kann aus zahlreichen Quellen für Primärenergie gewonnen werden. Dazu zählen fossile Brennstoffe wie Erdgas und Kohle, aber auch erneuerbare Quellen wie Wind- und Wasserkraft oder Sonnenenergie. Strom kann vollelektrische Lkw versorgen oder in Plug-in-Hybrid-Elektro-Lkw eingesetzt werden. Die Belastung des Klimas ist dabei generell geringer als von Dieselfahrzeugen.
Auch die sonstige Technik in elektrisch betriebenen Lkw überzeugt. So arbeiten etwa die Antriebsstränge sehr effizient. Darüber hinaus werden in einem E-Lkw rund 30 Prozent weniger bewegliche Teile verbaut als in Lastkraftwagen mit Verbrenner. Dadurch sinkt der Bedarf an Service und Wartungen deutlich. Schließlich ist auch der Betrieb wesentlich leiser, so dass sie in städtischen Bereichen und nachts Vorteile bieten.
Eine Elektrifizierung bringt aber auch Nachteile mit sich. Die Infrastruktur an Stromtankstellen für Lkw ist bisher dürftig, denn die Ladepunkte müssen wenigstens eine Leistung von 150 kW vorweisen, um für elektrisch betriebene Lastkraftwagen geeignet zu sein. Hier sind deutliche Investitionssteigerungen erforderlich, um ein zufriedenstellendes Netz zu schaffen. Aktuell sind zudem die Kosten für eine Neuanschaffung höher als für konventionell betriebene Lkw.
BETRIEB MIT OBERLEITUNGEN UND DIESEL
In den Bundesländern Hessen, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein gibt es Teststrecken für Lkw, die mit einem Dieselmotor und einem Elektro- und Akkuantrieb ausgerüstet sind. Während der Fahrt unter einer Oberleitung lassen sich die Akkus aufladen, so dass die Fahrzeuge abseits der Strecke emissionsfrei fahren können und nur bei einer leeren Batterie auf den Dieselmotor zurückgreifen müssen. Ob diese Technik jemals alltagstauglich wird, müssen weitere Tests ergeben. Die größte Schwierigkeit dürfte darin bestehen, eine möglichst breite Infrastruktur bereitzustellen, also etwa sämtliche Autobahnen oder zumindest die wichtigsten Strecken in Deutschland mit Oberleitungen auszustatten.
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