EINE BESONDERS ANSPRUCHSVOLLE AUFGABE
Deutschland ist durch seine geografische Lage mitten in Europa bekanntermaßen eine wichtige logistische Drehscheibe und ein Transitland mit entsprechendem Verkehrsaufkommen. Aus diesem Grund fahren an typischen Tagen binnen 24 Stunden zwischen 1,2 und 1,4 Millionen LKW (= über 3,5 Tonnen) allein über die hiesigen Autobahnen.
Der Großteil dieser Fahrten entfällt auf Güter, die auf typischen Pritschen, Anhängern oder Aufliegern transportiert und von handelsüblichen Zugmaschinen bewegt werden. Bis auf einige sehr enge Dorfstraßen und zu niedrige Durchfahrten müssen die Fahrer kaum etwas Besonderes beachten und können deshalb allein agieren – Routinearbeit.
Völlig anders hingegen verhält es sich, wenn der Auftrag Schwertransport lautet. Hier ist jede neue Fahrt oft mit neuen, individuellen Herausforderungen und Anforderungen verbunden.
SCHWERTRANSPORT: DACHBEGRIFF MIT MEHREREN DEFINITIONEN
Die Bezeichnung Schwertransport ist allerdings nicht immer eindeutig, denn „schwer“ impliziert schließlich vor allem eine Ausnahmesituation in Sachen Gewicht beziehungsweise Last. Genauso zählen jedoch Transportaufgaben zu dieser Kategorie, bei denen andere Faktoren überdimensional ausfallen.
Grundsätzlich werden bei diesen Transporten bestimmte Vorgaben der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) überschritten. Das bedeutet:
- Das Gespann oder die Last überschreiten eine zulässige Gesamtbreite von 2,55 Metern
und/oder
- das Gesamtgewicht überschreitet den zulässigen Höchstwert von 40, respektive 44 Tonnen je nach Art des Anhängers
und/oder
- das Gespann oder die Last überschreiten die erlaubte Maximalhöhe von 4,00 Metern
und/oder
- das Gespann oder die Last überschreiten die herkömmliche Maximallänge eines Gespanns von 18,75 Metern.
Der Transport geht also an irgendeinem Punkt über die regulären Vorgaben der StVZO hinaus. Tatsächlich gibt es diesbezüglich rechtlich vier mögliche Konstellationen und ebenso viele rechtlich korrekte Begrifflichkeiten:
- Großraum- und Schwertransport: großes Gewicht, große Abmessungen
- Großtraumtransport: kleines Gewicht, große Abmessungen
- Schwertransport: großes Gewicht, kleine Abmessungen
- Langtransport: Ladungslänge > 20 Meter
Angesichts der Vielfalt der Transporte ist übrigens der schweizerische allgemeinsprachliche und gesetzliche Begriff deutlich griffiger. Dort spricht man generell von „Ausnahmetransporten“.
Damit geht grundsätzlich eine Pflicht zum Beantragen einer Ausnahmegenehmigung bei den Behörden einher. Jede Überschreitung der StVZO birgt deshalb das Risiko von Überbeanspruchungen und Schäden vielfältigster Art. Hier können Transportunternehmen auf zwei mögliche Optionen zurückgreifen:
- Eine Einzelgenehmigung: Sie ist nur bis zum Ende des Folgemonats der Antragstellung gültig. Dafür allerdings sind hinsichtlich des Transportgewichts und der Abmessungen umfassende Ausnahmen möglich.
- Eine Dauergenehmigung: Sie wird für einzelne Transportfahrzeuge erteilt und gilt länger. Dafür jedoch unterliegt der Transport Gewichts- und Abmessungslimitierungen für die Kombination aus Gespann und Ladung: Maximal 23 Meter Länge, 3 Meter Breite, 4 Meter Höhe, 41,8 Tonnen Maximalgewicht.
Dabei handelt es sich hier nur um die Genehmigungen innerhalb Deutschlands. Überschreitet ein entsprechender Transport die Landesgrenzen selbst im geeinten Europa, sind weitere Genehmigungen notwendig. Neben der rechtlichen Seite gibt es jedoch noch weitere Besonderheiten.
PERSONELLE HERAUSFORDERUNGEN
Jeder Lkw-Fahrer mit CE-Fahrerlaubnis darf Gespanne bewegen, die sich innerhalb der StVZO-Vorgaben bewegen. Bei Schwer- und Großraumtransporten wäre das zwar ebenfalls theoretisch möglich. Doch viele Unternehmen stellen nur ausgebildete Berufskraftfahrer ein, die außerdem Zusatzqualifikationen für besonders schwere/sperrige Lasten erworben haben.
Hier müssen nicht zuletzt die oft beträchtlichen Werte der Ladung und die Kosten möglicher Schäden an dieser, dem Gespann oder dem Umfeld betrachtet werden. Zudem kommen je nach Art des Transports weitere Hilfsgeräte hinzu, etwa sogenannte Selbstfahrer – vielrädrige, selbstangetriebene Schwerlastplattformen, die von weiteren Fachkräften ferngesteuert bedient werden (im engen Zusammenspiel mit dem Fahrer der Zugmaschine).
Der allgemeine Fachkräftemangel bei LKW-Fahrern ist bereits beträchtlich; bei Spezialisten ist er naturgemäß noch größer. Zudem müssen die fahrerischen Schwierigkeiten Beachtung finden, die oft viel Erfahrung voraussetzen. Sondertransporte fordern höchste Aufmerksamkeit aller Beteiligten. Zudem lassen sich die Gespanne durch den Charakter der Ladungen längst nicht so einfach lenken, wie herkömmliche Lkw.
Je nach Art des Auftrags können die Genehmigungen zudem an die Bedingung geknüpft sein, Begleitfahrzeuge zur Absicherung einzusetzen. Das benötigt grundsätzlich weiteres, geschultes und erfahrenes Personal. Diese Fahrzeuge werden unterteilt in solche
- mit sogenanntem Wechselverkehrszeichen (also am Fahrzeugheck angebrachte, veränderbare Verkehrsschilder für den nachfolgenden Verkehr; Code: BF3) und
- ohne diese Wechselverkehrszeichen, Code: BF2.
Aufgrund der besonderen Verantwortung für den nachfolgenden Verkehr benötigen BF3-Fahrer eine Sonderberechtigung. Diese wird durch einen Grundkurs erworben und muss alle zwei Jahre durch eintägige Auffrischungskurse verlängert werden.
ZEITLICHE EINSCHRÄNKUNGEN
Insbesondere, was die Abmessungen anbelangt, stellen Sondertransporte meist eine Behinderung der anderen Verkehrsteilnehmer dar. Um diese Auswirkungen so gering wie möglich zu halten, ist es oft nicht möglich, die Fahrten zu typischen Stoßzeiten durchzuführen.
Ähnlich wie bei den beiden unterschiedlichen Ausnahmegenehmigungen existieren hier deshalb zwei mögliche Varianten. Diese werden im Katalog der Richtlinien für Großraum- und Schwertransporte (RGST-Katalog) definiert:
- Sofern die Breite von Gespann und Ladung 3,2 Meter nicht überschreitet, darf der Transport nur an den Wochentagen zwischen (zirka) 09:00 und 15:00 Das soll Beeinträchtigungen für den morgens und spätnachmittags verdichteten „Stoßverkehr“ vermeiden.
- Gehen die Abmessungen darüber hinaus, wird die Fahrt meist nur in den Nacht- und Frühmorgenstunden zwischen 22:00 und 06:00 Uhr
Schon, wenn der Transport aufgrund der Distanz „in einer Tour“ erfolgen kann, bedeutet das nicht zuletzt personelle Herausforderungen. Noch komplizierter wird es, wenn die Distanz zu groß ist, um den Transport innerhalb dieses Zeitfensters durchzuführen. Dann müssen passende Etappen geplant werden – inklusive ausreichend dimensionierter Rastplätze für die Pausen.
PLANERISCHE HERAUSFORDERUNGEN
Bei einem herkömmlichen Lkw-Transport ist die Planung meist einfach: Ein möglichst schneller und zudem kraftstoffsparender Weg muss gefunden werden. Dafür können die Disponenten auf leistungsfähige Softwares zurückgreifen. Bei vielen Spezialtransporten sind jedoch bereits die Anträge für die Genehmigungen äußerst langwierig und bereiten viel Arbeit. Als ein Beispiel von vielen: Um die Teile eines Windrades zur Baustelle zu verbringen, sind zirka 80 unterschiedliche Genehmigungen notwendig.
Zudem gestatten sowohl die Genehmigungen als auch die praktischen Umstände des Transports oft keine einfache Lösung auf dem direkten Weg. Das gilt vor allem abseits der Autobahnen: Ein Langtransport etwa kann längst nicht alle Kurven problemlos umfahren. Insbesondere dann, wenn die Last weit über das Ende des Aufliegers hinausragt – etwa beim Transport von Rotorblättern eines Windrades. Ähnliches gilt bei sehr breiten und hohen Lasten.
In dem Fall werden viele für reguläre Transportgespanne taugliche Straßen zu unüberwindbaren Hindernissen. Straßenschilder oder Ampelanlagen können zwar temporär demontiert werden. Handelt es sich jedoch um Häuser oder Brücken, muss häufig eine andere Route gefunden werden, wenn selbst buchstäbliche „Millimeterarbeit“ beim Fahren nicht mehr genügt. Zudem hat jede einzelne Brücke ein maximales Traggewicht. Selbst wenn sie die ideale Route darstellen würde, kann sie bei Schwertransporten mitunter aus statischen Gründen nicht befahren werden.
Je nach Gewicht und Abmessungen des Transports benötigt daher die Planung oft viele arbeitsreiche Wochen – wobei die Anforderungen mit der Komplexität der Ladung steigen:
- Zahlreiche relevanten Daten müssen für die Genehmigungen präzise erfasst werden.
- Die Route selbst muss in der Theorie geplant und in der Praxis von Voraus-Teams auf ihre tatsächliche Tauglichkeit hin überprüft werden – selbst digitale Landkarten sind oftmals nicht ausreichend aktuell.
- Oftmals müssen weitere Abstimmungen mit den zuständigen genehmigenden Behörden erfolgen. Mitunter verlangen diese Änderungen am eingereichten Plan, die bis zur Aufstellung einer völlig neuen Vorplanung reichen können.
Natürlich hat die Digitalisierung hierbei vieles ganz erheblich erleichtert. Dafür allerdings sind gegenwärtig nicht zuletzt durch den massiven Strommasten- und Windradausbau und den allgemeinen Bau-Boom deutlich mehr Sondertransporte insgesamt nötig. Die Erfahrung zeigt, dass es trotz detaillierter Planung in der Praxis noch zu unerwarteten Hürden kommen kann.
LADETESCHNISCHE HERAUSFORDERUNGEN
Während das Be- und Entladen für viele Güter recht einfach zu bewerkstelligen ist, kann bei Schwer- und Sondertransporten meist nicht auf standardisierte Prozesse zurückgegriffen werden. Je nach Ladung sind oft spezielle Anhänger notwendig – von ausziehbaren Teleskopanhängern über besonders niedrig liegende Tiefbetten bis hin zu Sonderkonstruktionen mit spezieller Aufnahme etwa für Rotorblätter.
Für das Be- und Entladen selbst sind dann zudem oft besondere Fahrzeuge oder Maschinen notwendig. Hinzu kommen spezielle Anforderungen bei der Ladungssicherung. Das Material dafür muss für die entsprechenden Abmessungen und Gewichte geeignet sein.
Oft ist jeder Schritt der Ladearbeiten eine Herausforderung, die zudem oftmals für jeden Auftrag verschiedenste Variablen bereithält:
- Gerade beim Maschinentransport ist es häufig nötig, diese Systeme zunächst aus oft engen Werkshallen zu transportieren. Angesichts teils dutzender Tonnen schwerer Gewichte und/oder äußerst sperriger Abmessungen bedeutet bereits das einen Sondertransport für sich.
- Oftmals sind viele Betriebsgelände und deren Bebauungen eine weitere Herausforderung. Viele Firmengelände sind für übliche Lkw-Gewichte ausgelegt, können jedoch durch die oftmals bedeutend schwereren Maschinen (und die nicht minder schweren Sonderfahrzeuge beim Transport) überbeansprucht werden.
- Viele Maschinen sind individuelle Einzelstücke. Daher gibt es für das Verladen und das korrekte Verzurren oft keine detaillierten Erfahrungswerte. Hier ist Personal notwendig, das auf bestehende Erfahrungswerte zurückgreifen und die richtigen Entscheidungen treffen kann.
Mit Hilfe spezieller Stapler oder leistungsstarker Kräne können die längeren, breiteren, höheren oder schwereren Lasten am Ende verladen werden. Für besonders große Ladungen ist mitunter ein Statiker vor Ort, der eine optimale Platzierung und Gewichtverteilung vorab berechnet und das Verladen entsprechend überwacht und kontrolliert.
Zwar sind Großraum-, Schwer- und Langtransporte für fachlich spezialisierte Firmen wie Marcus Transport tatsächlich ein tägliches Business. Dennoch gibt es trotz aller Erfahrungen kaum Aufträge, die 1:1 den vorherigen gleichen. Jeder Transportauftrag ist in diesem Gewerbe immer eine neue Herausforderung – die jedoch nicht nur durch die fähigen und erfahrenen Teams immer zu einem erfolgreichen Ende gebracht wird.
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