Mit dem ICS2 schafft die EU ein neues Einfuhrkontrollsystem, das sowohl die Bürger als auch den Binnenmarkt besser vor Sicherheitsbedrohungen und Gefahren schützen soll. Das System ist unter anderem eine Reaktion darauf, dass der Zoll einerseits mit immer neuen Bedrohungen und andererseits mit einer stetig steigenden Zahl von Warensendungen zu tun hat. Wir klären die wichtigsten Fragen rund um ICS2.
WOZU EIN NEUES EINFUHRKONTROLLSYSTEM?
Die EU ist im Welthandel im wahrsten Sinne ein Global Player, auf die EU-Länder entfallen rund 16 Prozent der gesamten weltweiten Ein- und Ausfuhren. Das bedeutet, dass jährlich Waren und Güter im Wert von mehreren Billionen Euro aus der EU ausgeführt, aber umgekehrt auch eingeführt werden.
Die Zollbehörden sind dafür zuständig, dass aus dem regen Handel keine Sicherheitsbedrohungen oder Gefahren für die EU-Bürger und den EU-Binnenmarkt entstehen. Eine sinnvolle Abwehr der vielfältigen Bedrohungen (durch Sprengstoffe in der Luftfracht, chemische Stoffe, gefälschte Medikamente, Waffen etc.) ist aber nur dann möglich, wenn die Zollmaßnahmen an der geeignetsten Stelle der Lieferkette greifen.
Vorab-Frachtinformationen und Risikoanalysen zählen in diesem Zusammenhang zu den Grundlagen, die die Arbeit des Zolls erleichtern sollen – um so für einen besseren Schutz an den Außengrenzen zu sorgen. Das Import Control System 2 (ICS2) der EU bildet den Rahmen für diese Erleichterungen.
Die Zielsetzung des ICS2 umfasst letztlich effizientere und effektivere Maßnahmen für die EU-Zollsicherheit und die Gefahrenabwehr. Die Zollbehörden sollen gerade in Krisensituationen gezielte und angemessene Maßnahmen ergreifen können.
Gleichzeitig soll das Informationssystem dabei helfen, eine grenzüberschreitende Freigabe für den rechtmäßigen Handel zu erleichtern. Deshalb unterstützt das ICS2 nicht zuletzt den Informationsaustausch zwischen Wirtschaftsakteuren und den EU-Zollbehörden.
WAS GENAU IST DIE ICS2?
Das neue Einfuhrkontrollsystem ist gedacht als breitangelegtes Informationssystem, das verschiedene Prozesse unterstützen wird. Dazu gehören:
- die Abgabe der Entry Summary Declaration (ENS) mit den Vorab-Frachtinformationen beim Zoll,
- die Sicherheits- und Risikoanalyse durch den Zoll,
- der Wareneingang auf verschiedenen Verkehrswegen sowie
- die Beschreibung der Waren für die Zollbehörden und gegebenenfalls eine Kontrolle der Waren durch die Zollbehörden.
Damit umfasst das ICS2 drei der fünf Stufen des EU-Zollsystems – nämlich die Abgabe der ENS, die Benachrichtigung über Ankunft und Art des Verkehrsmittels und die Gestellung der Waren. Für die vorübergehende Verwahrung der Waren und die Zuordnung der Waren zu einem Zollverfahren hat das System keine Bedeutung mehr.
Denn das ICS2 ist keineswegs ein Einfuhrsystem und ist daher nicht für die Abwicklung der Zollanmeldung gedacht.
DIE ENTRY SUMMARY DECLARATION (ENS)
Bei der Entry Summary Declaration oder summarischen Eingangsanmeldung geht es in erster Linie darum, dass Personen die Zollbehörden informieren, wenn sie Waren in das Zollgebiet der EU einführen wollen. Dafür gibt es eine vorgeschriebene Form und eine vorgegebene Frist.
Die Fristen unterscheiden sich je nach gewähltem Verkehrszweig und betragen beispielsweise für die Containerfracht im Seeverkehr eine Abgabe der ENS spätestens 24 Stunden vor dem Verladen im Abgangshafen, für den Straßenverkehr wiederum reicht die Abgabe eine Stunde vor der Ankunft bei der Eingangszollstelle im EU-Zollgebiet aus. Es bestehen darüber hinaus Ausnahmen für eine Reihe von Waren, für die keine ENS abgegeben werden muss.
Die ENS muss alle Angaben enthalten, die die Zollbehörden für eine Risikoanalyse zum Zweck des Schutzes und der Sicherheit benötigen. Auf Grundlage dieser Angaben entscheiden die Behörden, ob gegebenenfalls zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden müssen, etwa Kontrollen bei der Ankunft.
WAS IST „PLACI“?
Bei PLACI handelt es sich um eine spezifische Form, in der Daten in der ENS-Anmeldung angegeben werden. Sie gilt für Kurierdienste und bestimmte Betreiber von Postdiensten – und zwar für alle Waren, die von ihnen in oder durch die EU transportiert werden. Es geht dabei um einen Mindestsatz (7+1) von ENS-Daten, den sogenannten Vorab-Frachtinformationen.
Die PLACI-Anforderungen wurden in Phase 1 für den Transport allgemeiner Luftfracht eingeführt (gültig sind sie seit dem 1. März 2023). Die entsprechenden Daten müssen vor dem Verladen der Waren im Flugzeug eingereicht werden, damit die EU-Zollbehörden eine Risikobewertung durchführen können.
Das PLACI-Anmeldeverfahren funktioniert dabei folgendermaßen:
- Die Wirtschaftsakteure aus Drittländern stellen vor dem Transport – d. h. vor dem Verladen der Güter – vollständige und präzise Angaben bereit. Dies ist die Grundlage dafür, dass die Geschäftsaktivitäten in der angeschlossenen Lieferkette nicht unterbrochen werden.
- Die Wirtschaftsakteure in der EU, also am Bestimmungsort der Güter, müssen die PLACI-Angaben an das ICS2 weiterleiten.
- Das ICS2 führt anschließend eine Analyse durch, um das Zollrisiko zu unterstützen.
DIE NOTWENDIGEN PLACI-ANGABEN
Die vollständigen PLACI-Angaben umfassen:
- Name und Anschrift des Absenders
- Name und Anschrift des Empfängers
- Anzahl der Packstücke
- Gesamtbruttogewicht
- Kurzbeschreibung der Fracht sowie
- Nummer des Transportdokuments
WER IST VON ICS2 BETROFFEN?
Das neue Einfuhrsystem und die neuen Anforderungen für die Entry Summary Declaration wird eine Reihe von Akteuren direkt betreffen, von Kurierdiensten bis zu Spediteuren. Für die Einführung hat die EU eine Übergangsstrategie entwickelt, die in drei Phasen verläuft. Jede dieser Phasen bezieht sich auf unterschiedliche Wirtschaftsakteure und Verkehrsträger.
Die beiden ersten sind bereits abgeschlossen, mit dem Start der letzten Phase ab dem 1. März 2024 gilt die ICS2 dann vollumfänglich. Durch die schrittweise Einführung hat die EU auch den Geltungsbereich im Hinblick auf die Verkehrsträger sukzessive erweitert. Mit Phase 3 wird der Wirkungsbereich schließlich auf Seewege, Straßen und Schiene ausgedehnt.
Im Detail sah die ICS2-Übergangsstrategie wie folgt aus:
Phase 1:
- Anbieter von Kurierdiensten
- in Europa ansässige Anbieter von Postdiensten
- Anbieter von Postdiensten aus Drittländern, die nach Europa versenden
Phase 2:
- Betreiber von Postdiensten
- Kurier- und Luftfrachtdiensten
- Spediteure
Phase 3:
- Betreiber, die Waren auf See- und Binnenwasserstraßen sowie im Straßen- und Schienenverkehr befördern
War es in der ersten Phase noch ausreichend, die Vorab-Frachtinformationen vor dem Versand und unter Verwendung eines Mindestdatensatzes von ENS-Daten abzugeben, haben sich mit den folgenden Phasen gleichfalls die Anforderungen erhöht. Ab dem 1. März 2024 müssen Betreiber für die unterschiedlichen Dienstleistungen und Verkehrswege daher den vollständigen ENS-Datensatz bei der Eingangsanmeldung einreichen.
Die Vorgaben des ICS2 betreffen außerdem – indirekt – Hersteller, Exporteure und Einzelpersonen, die Waren von außerhalb der EU in die EU oder durch die EU hindurch versenden. Denn sie sind dazu angehalten, die notwendigen Informationen ihrerseits an die direkt betroffenen Betreiber weiterzuleiten.
WAS BEDEUTEN DIE VERPFLICHTUNGEN DER ICS2 KONKRET?
Die Anforderungen der ICS2 bedeuten für die meldepflichtigen Wirtschaftsakteure zunächst, dass sie rechtlich für die Richtigkeit, Vollständigkeit und die zeitnahe Angabe der erforderlichen ENS-Angaben verantwortlich sind. Von besonderer Bedeutung sind in der ENS deshalb folgende Daten.
Die HS-Warennummer
Die HS-Warennummer wird für Waren mit kommerziellem Charakter benötigt, und zwar sowohl für den B2B- als auch für den B2C-Bereich. Grundlage für diese Nummer ist die Kombinierte Nomenklatur (KN), die dazu dient, Waren gemäß den Erfordernissen des Gemeinsamen Zolltarifs sowie der Statistik des Außenhandels der EU korrekt einzureihen.
Bei der Zollanmeldung in der EU werden über die Unterpositionen der HS-Warennummer Angaben zum Zollsatz und für die Einordnung der Waren für statistische Zwecke gemacht. Für die ENS reicht die sechsstellige HS-Warennummer.
ANGEMESSENE WARENBESCHREIBUNGEN
Damit die Zollbehörden eingehende Waren besser identifizieren können, sollten die Warenbeschreibungen für die ENS so einfach und präzise wie möglich formuliert werden. Aus diesem Grund wurde bereits im Zuge der ersten Phase der ICS2-Einführung ein Leitfaden mit zulässigen und unzulässigen Begriffen für die Bezeichnung von Waren ausgegeben.
Dieser ist allerdings nicht rechtsverbindlich, sondern dient der Orientierung. Verbindlich sind hingegen die zollrechtlichen Vorschriften, die deshalb immer herangezogen werden sollten. Das gilt umso mehr, weil der Leitfaden keine vollständige Liste zulässiger und unzulässiger Formulierungen bietet. Sie ist vielmehr dynamisch und wächst durch Fälle aus der täglichen Praxis.
Im Anhang führt der Leitfaden eine Liste an Beispielen an. Darunter findet sich unter anderem die Bezeichnung „Geräte“ als unzulässig, während „Kühlschrank“, „Herd“, „Mikrowellenherd“ oder „Kaffeemaschine“ zulässig wären.
Eine Ausgabe in deutscher, englischer und französischer Sprache findet sich unter den Erläuterungen der EU zu Phase 1 des Import Control System 2 zum Download.
Die EORI-Nummer
Neben der Ware werden bei der ENS ebenfalls die Beteiligten identifiziert, insbesondere die in der EU ansässigen Empfänger. Die Beteiligtenidentifikation für die Zollabwicklung in der EU erfolgt über die EORI-Nummer (Economic Operators‘ Registration and Identification Number).
Parteien, denen eine solche EORI-Nummer bereits zugeteilt wurde, müssen diese den Meldepflichtigen zur Verfügung stellen. Liegt noch keine EORI-Nummer vor, kann diese kostenlos bei der Generalzolldirektion – Dienstort Dresden – Stammdatenmanagement beantragt werden.
Informationen über Verkäufer und Käufer
In den ENS müssen außerdem Informationen zu Verkäufer und Käufer enthalten, sofern die Waren für die EU bestimmt sind. Unter Umständen sind Angaben zum Eigentümer der Waren ausreichend, falls die Sendung nicht im Rahmen eines Handelsgeschäfts zustande kam.
WARUM SIND VOLLSTÄNDIGE ENS-DATEN SO WICHTIG?
Bei unvollständigen oder inkorrekten Daten kann es dazu kommen, dass die EU-Zollbehörden einschreiten. Mögliche Folgen sind daraufhin:
- Das Ablehnen einer ENS-Anmeldung, wenn diese unvollständige Daten enthält.
- Das Aussprechen von risikomindernden Verweisen vor dem Verladen oder Eintreffen der Ware. Damit werden die Anmelder aufgefordert, fehlende oder falsche Daten nachzuliefern oder zu korrigieren.
Risikomindernde Verweise führen immer zu Verzögerungen bei der Bearbeitung der ENS – und damit auch bei der Ankunft der Sendungen und beim Eingangsverfahren. Denn die Antwort auf die Verweise und das Bereitstellen der erforderlichen Informationen müssen vor dem Beginn der Risikobewertung erfolgen.
Um einen zügigen Ablauf gewährleisten zu können, ist eine sorgfältig erstellte ENS-Anmeldung daher unerlässlich.
Hinweis: Es ist zwar wichtig, dass die Anmelder im Vorfeld einer ENS-Anmeldung sicherstellen, dass alle notwendigen Informationen vorliegen. Das gilt insbesondere dann, wenn diese Daten in einer einzigen vollständigen ENS-Einreichung vorgenommen werden soll.
Es besteht ansonsten die alternative Möglichkeit, dass verschiedene Akteure entlang der Lieferkette mehrere Teil-Anmeldungen einreichen. Dennoch muss gewährleistet sein, dass alle erforderlichen Informationen bereitgestellt werden können.
Maßnahmen nach der durchgeführten zollspezifischen Risikobewertung
Bewertung abgeschlossen (AC)
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Bei der Analyse wurde kein Risiko festgestellt bzw. konnte ein potenzielles Risiko beseitigt werden. |
Informationsanforderung (RfI) | Eine Risikobewertung ist anhand der vorliegenden Daten nicht möglich, daher muss der Wirtschaftsakteur zusätzliche Informationen für das ICS2 bereitstellen. |
Antrag auf Überprüfung von Fracht- und Postsendungen mit hohem Risiko (RfS) | Das ICS2 benötigt zusätzliche Nachweise, um die Risikoanalyse durchführen zu können. Bis eine Überprüfung erfolgt ist, sollte die Sendung nicht in ein Flugzeug verladen werden.
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Do Not Load (DNL) | Wenn die bereitgestellten PLACI-Daten mit bestimmten Informationen oder Bedrohungsszenarien übereinstimmen, die eine unmittelbare Bedrohung der Luftsicherheit darstellen könnten, wird ein Verladeverbot ausgesprochen. |
WELCHE VORBEREITUNGEN SIND FÜR DIE ICS2-EINFÜHRUNG NOTWENDIG?
Die Übermittlung der ENS-Daten an das ICS2 erfordert einige (technische) Vorkehrungen. Dabei steht es den Wirtschaftsbeteiligten offen, ob sie die ENS-Anmeldung und die Verbindung zum ICS2 über ein internes IT-System erledigen oder diese Aufgabe an einen externen IT-Dienstleister übergeben.
Im Hinblick auf die technischen Vorbereitungen sind folgende Schritte notwendig:
- Die übermittelnde Partei muss sicherstellen, über eine EORI-Nummer (siehe oben) zu verfügen. Ist der Sender auch der Empfänger, reicht eine EORI-Nummer. Soll ein IT-Dienstleister das Senden der ENS-Daten übernehmen, brauchen beide Parteien (Wirtschaftsbeteiligte und IT-Unternehmen) jeweils eine EORI-Nummer.
- Bei der zuständigen nationalen Zollverwaltung muss ein Plan vorgelegt werden für die Durchführung von Konformitätsselbstprüfungen und den Start der ICS2-Prozesse.
- Das IT-System zur Datenübermittlung muss an die aktuellen gemeinsamen Funktions- und technischen Systemspezifikationen für ICS2 angepasst werden. Dabei handelt es sich um CFSS und CTSS.
- Der Sender der ENS-Daten muss außerdem die notwendigen digitalen Zertifikate einholen, mit denen er seine Identität bestätigen kann. Die hierfür zuständige Zertifizierungsstelle findet sich im Vertrauenslistenverzeichnis.
- Abschließend sind die verpflichtenden Konformitätsselbstprüfungen durchzuführen. Damit wird sichergestellt, dass das IT-System für die Kommunikation mit ICS2 und für die dazugehörigen Vorgänge bereit ist.
Die Verfahren und Testspezifikationen sind auf der EU-Plattform CIRCABC hinterlegt. Auf Anfrage erteilt das National Service Desk die Anmeldedaten für eine Verbindung zum Shared Trader Portal. Auf diesem müssen die passenden Rollen und Prüfungsszenarien ausgewählt werden, mit denen die Konformitätsprüfung anschließend durchgeführt wird.
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