Im Alltag begegnet man dem Gütertransport in der Regel auf der Autobahn oder auf der Schiene. Für den internationalen Güterverkehr spielt eine andere Frachtart jedoch eine dominierende Rolle: Denn die Seefracht bleibt die mit Abstand wichtigste Möglichkeit, um Güter über den gesamten Globus zu schicken.
SEEFRACHT IST NICHT GLEICH SEEFRACHT
Gewaltige Containerschiffe mit hunderten großer Container, neben denen die meisten Schiffe winzig wirken: Wer an „Seefracht“ denkt, wird an diesem Bild vermutlich nicht vorbeikommen. Dabei ist der Gütertransport per Seefracht deutlich vielfältiger.
Unterwegs auf der weiten See – und in Binnengewässern
Zu unterscheiden ist beispielsweise grundsätzlich zwischen dem Transport über das Meer oder über Binnengewässer. Wegen der natürlichen Einschränkungen, die Flüsse und Seen für Frachtschiffe stellen, ist die Transportleistung der Binnenschifffahrt im deutschen Güterverkehr vergleichsweise klein: Der Anteil an der gesamten Transportleistung hat sich seit 2018 bei durchschnittlich rund 6,7 Prozent eingependelt.
Da selbst große Flüsse inzwischen regelmäßig von Trockenheit und niedrigen Wasserständen betroffen sind, erschweren sich die Bedingungen für die Binnenschifffahrt. Sowohl der innerdeutsche als auch der grenzüberschreitende Verkehr ist deshalb tendenziell rückläufig, wie Erhebungen im Auftrag des Bundesamts für Logistik und Mobilität zeigen.
Zu unterschätzen ist die Binnenschifffahrt dennoch nicht: Für den EU-Binnenhandel ist sie weiterhin von großer Bedeutung. Hier liegt der Anteil am Warenverkehr deutlich über dem für Deutschland.
Prognosen: Steigende Tendenz für Seefracht
Im weltweiten Gütertransport über die Meere und Ozeane zeichnet sich noch einmal ein anderes Bild. Denn hier spielt Seefracht mit einem Anteil von rund 90 Prozent eine herausragende Rolle. Daran haben auch die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die internationalen Lieferketten kaum etwas geändert.
Laut Prognosen von DHL Freight könnte die Bedeutung von Seefracht noch einmal wachsen. Bis zum Jahr 2050 sei ein Anstieg auf über 250.000 Billionen Tonnenkilometern möglich – von knapp mehr als 60.000 Billionen Tonnenkilometern im Jahr 2010.
Das klingt ambitioniert, allerdings folgt diese Vorhersage unter anderem der Entwicklung des Seefrachtaufkommens von 2000 bis 2020. Innerhalb von zwei Jahrzehnten stieg die Zahl der umgeschlagenen 20-Fuß-Standardcontainer (TEU) von 224 Millionen auf über 800 Millionen.
WARUM SEEFRACHT FÜR DEN GÜTERTRANSPORT SO WICHTIG IST
Der hohe Anteil von Seefracht am internationalen Güterverkehr hat seine Gründe. In einer globalisierten Wirtschaft ist die Möglichkeit, Waren in großen Mengen über weite Strecken zu transportieren, unverzichtbar. Dafür nehmen die Unternehmen auch das langsamere Vorankommen im Vergleich zu anderen Transportwegen in Kauf.
Seefracht transportiert einfach alles
Einer der wesentlichen Vorteile von Seefracht liegt darin, nahezu jedes Gut transportieren zu können. Massenwaren (Bulk) lassen sich in verschiedenen Formen gut verschiffen: Sowohl Schüttgüter wie Kohle, Eisenerz oder Getreide als auch Flüssigladungen wie Rohöl, Ölprodukte oder Gas können über den Seeweg verschickt werden.
Mit 1,9 Milliarden Tonnen ist Rohöl das wichtigste Transportgut im seewärtigen Welthandel, wie der Verband für Schiffbau und Meerestechnik e. V. (VSM) in seinem Jahresbericht 2022/23 angibt. Das entspricht etwas mehr als 16 Prozent des gesamten internationalen Handelsvolumens. Für die übrigen Frachtgüter vermeldet der VSM folgende Zahlen für das Jahr 2022:
(in Millionen Tonnen) | |
Container | 1.817 |
Eisenerz | 1.488 |
Kohle | 1.233 |
Ölprodukte | 1.030 |
Gas | 530 |
Getreide | 510 |
andere Massengüter | 2.113 |
andere Güter | 1.312 |
insgesamt | 11.983 |
Für alles andere, wie Stückgut oder Transporteinheiten, gibt es Container mit geeignetem Fassungsvermögen und Eigenschaften. Grundsätzlich unterschieden wird bei der Ladung zwischen Stückgut (LCL = Less than Container Load) und einer Komplettladung (FCL = Full Container Load).
Die passende Transportmöglichkeit für Seefracht
Nicht nur bei der Art der Ladung gibt es Unterschiede, auch bei den für den Seetransport eingesetzten Containern herrscht große Vielfalt. Die Möglichkeiten gehen dabei weit über die übliche Auswahl zwischen den „klassischen“ 20- bzw. 40-Fuß-Container hinaus. Tatsächlich bieten bereits die Standardcontainer eine Reihe von Varianten:
- Die gängigen Abmessungen, wie sie etwa für Güter auf Transportpaletten in Frage kommen, liegen bei 20, 40 oder 45 Fuß, wobei letztere Größe als High-Cube-Container gilt. Auf dem nordamerikanischen Markt gibt es HC-Container sogar bis zu einer Größe von 53 Fuß.
- Für schwere Güter sind außerdem 20-Fuß-Container in einer Heavy-Tested-Variante. Sie können dasselbe maximale Gesamtgewicht aufnehmen wie die größeren 40- oder 45-Fuß-Container.
- Auf dem europäischen Markt werden häufig sogenannte Binnencontainer eingesetzt (im Englischen Pallet Wide/PW). Sie verfügen über einen breiteren Innenraum und können dadurch zwei Europaletten nebeneinander aufnehmen.
Daneben gibt es zahlreiche Sondergrößen für Höhe, Länge oder Breite. Es geht darum, ein Maximum an Laderaum mit den optimalen Eigenschaften für den Weitertransport auf Straße oder Schiene zu verbinden.
Hinter dem allgemeinen Begriff „Container“ steckt zusätzlich eine lange Reihe von Varianten, die für ganz spezielle Aufgaben oder Situationen gedacht sind:
Containertyp | Charakteristika |
Kühlcontainer
(Reefer) |
Um empfindliche Güter wie etwa Lebensmittel zu transportieren, kommen Kühlcontainer zum Einsatz. Dabei wird zwischen zwei Arten unterschieden:
Conair-Container (auch Porthole-Container) sind doppelwandig und mit einer Wärmedämmung aufgebaut. Sie sind an der Stirnseite mit zwei übereinanderliegenden Öffnungen versehen, über die sie mit einer schiffsfesten Ladungskühlanlage verbunden werden. Integralcontainer besitzen eine eigene, elektrisch betriebene Kühleinheit. Dadurch ist es möglich, die Temperatur jedes einzelnen Containers separat einzustellen. Diese Methode hat die Conair-Container seit 2000 in zunehmendem Maße ersetzt. |
Tankcontainer | Tankcontainer bestehen aus einem Tank für flüssiges oder gasförmiges Frachtgut und einem Rahmen, der diesen Tank aufnimmt. Dieser entspricht in seinen Abmessungen einer Standardcontainergröße von 20 Fuß. |
Zerlegbare Seecontainer | Ein nicht unerheblicher Teil der Seecontainer weltweit wird ohne Ladung umgeschlagen, weil die Handelsströme nicht in alle Richtungen gleich fließen. Allerdings sind leere Container ein relevanter Kostenfaktor, denn sie müssen trotzdem verladen, transportiert und gelagert werden.
Um Platz zu sparen und Kosten zu reduzieren, lassen sich manche Container zusammenklappen oder zerlegen. Auf diese Weise können mehrere Leercontainer auf nur einem Stellplatz transportiert werden. |
Die Liste ließe sich noch um eine Vielzahl weiterer Containertypen erweitern, bei denen es sich im Prinzip um spezielle Abwandlungen von Standardcontainern handelt. Dazu gehören beispielsweise
- Schüttgutcontainer mit Öffnungen in der Decke und im Boden für das einfachere Be- und Entladen,
- Flattrack-Container, die lediglich über Stirnseiten verfügen, um etwa große Seefrachtkisten passgenau aufnehmen zu können,
- Open-Top-Container, die nicht mit einem Dach, sondern einer Plane abgedeckt werden oder
- Container mit besonderen Vorrichtungen zum Öffnen, etwa „Double Doors“ mit Türen an beiden Stirnseiten oder Fullside-Access-Container, bei denen sich die komplette Seitenwand öffnen lässt.
Der Erfolg von Seefracht im internationalen Handel hängt eng mit der Vielseitigkeit der Container zusammen. Für jedes Frachtgut lässt sich eine geeignete Lösung finden, die einen sicheren und effizienten Transport gewährleistet.
Die passende Flotte für den Seehandel
Für den Transport der vielen verschiedenen Güter sind auf den Meeren, Seen und Flüssen entsprechend angepasste Schiffstypen im Einsatz. Sie sind nicht nur für die jeweiligen Gewässer, sondern auch für die unterschiedlichen Frachttypen ausgestattet.
Ohne Fähr- und Passagierschiffe, Fischereifahrzeuge, Offshore-Fahrzeuge und andere Schiffstypen waren laut VSM weltweit 56.002 Schiffe für den Gütertransport auf See im Einsatz. Nach Schiffstyp aufgeschlüsselt, ergab das für 2022 folgendes Bild:
Schiffstyp | Anzahl |
Stückgutfrachter/sonstige Trockenfrachter | 16.755 |
Massengutschiffe | 13.134 |
Öl-/Ölproduktetanker | 9.045 |
Chemikalien-/Flüssigtanker | 6.129 |
Containerschiffe | 5.682 |
RoRo-Schiffe | 2.994 |
Gastanker | 2.263 |
Hinzu kommen die Binnenschiffflotten. Diese zeichnen sich durch ihre Flexibilität aus und können dadurch unterschiedlichste Güter auf großen wie auch kleineren Flüssen transportieren. Zum Einsatz kommen dazu neben Motorgüterschiffen mit einer Tragfähigkeit von bis zu 3.000 Tonnen außerdem Tankmotorschiffe, Schubleichter für trockene Ladung, Tankschubleichter, Schleppkähne für trockene Ladung sowie Tankschleppkähne.
Allein in Deutschland verkehren mehr als 2.000 dieser Schiffe auf den Flüssen. Die Anzahl der Handelsschiffe in deutschem Eigentum (unabhängig von der Flagge, unter der sie fahren) fällt jedoch etwas geringer aus. Laut dem Verband Deutscher Reeder (VDR) waren es im Jahr 2022 insgesamt 1.720 Schiffe mit einem Fassungsvermögen von mehr als 100 Bruttoregistertonnen, zu denen noch 119 Passagierschiffe hinzukommen.
Die wichtigsten Schiffstypen waren dabei Stückgutfrachter (628), Containerschiffe (618) und Massengutfrachter (219). Im Verlauf der vergangenen zehn Jahre verzeichnet der VDR allerdings einen deutlichen Rückgang bei der deutschen Handelsflotte. Um fast 40 Prozent ist die Zahl der deutschen Handelsschiffe in diesem Zeitraum gesunken. Zum Vergleich: China hat mit seiner Handelsflotte um rund 140 Prozent zugelegt.
LOLO oder RORO?
Beim Be- und Entladen von Frachtschiffen werden zwei unterschiedliche Verfahren genutzt:
Die gängigste Methode ist das LoLo-Verfahren. Die Abkürzung steht für Lift-on-Lift-off. Dabei wird das Frachtgut mit Hilfe von Kranen – entweder bordeigenen oder fremden – an oder von Bord befördert.
Bei RoRo-Schiffen (Roll-on-Roll-off) funktioniert der Umschlag der Ladung anders, denn sie wird auf das Schiff gefahren. Diese Spezialschiffe verfügen dazu über Bug-, Seiten- oder Heckluken sowie Rampen, die den Zugang für PKW, LKW, Züge, standardisierte Ladeeinheiten oder sogar Wechselbrücken ermöglichen.
Die Umschlagszeiten sind bei diesem Verfahren kürzer, allerdings sind RoRo-Schiffe in der Regel für sehr spezielle Anforderungen ausgelegt. Ihr Einsatz ist deshalb vor allem auf kürzeren Seestrecken und für besondere Ladungen sinnvoll.
Ein eigener Schiffstyp sind ConRo-Schiffe. Sie können sowohl Container als auch RoRo-Frachtgut transportieren.
WIE ES FÜR DEN HANDEL PER SEEFRACHT WEITERGEHT
In einem so großen und komplexen System wie dem internationalen Güterverkehr sind verlässliche Aussagen schwierig. Seit 2020 haben globale bzw. global spürbare Entwicklungen wie die Corona-Pandemie oder der Krieg in der Ukraine die Dynamik auf dem Weltmarkt stark erhöht – und damit die Volatilität im Seehandel.
Daneben ist der Gütertransport per Seefracht wie alle Wirtschaftsbranchen von anhaltenden Trends betroffen: Digitalisierung, Automatisierung und Klimawandel verlangen kontinuierliche Anpassungen.
IMO2023-Regulierung für Frachtschiffe
Seit dem 1. Januar 2023 gilt die neue Regulierung der International Maritime Organization (IMO), mit deren Hilfe die CO2-Emissionen im weltweiten Seeverkehr bis zum Jahr 2050 um 70 Prozent reduziert werden sollen (im Vergleich zu 2008). In diesem Zusammenhang wird es für Frachtschiffe eine Zertifizierung in verschiedenen Effizienzklassen geben.
Diese werden über einen Carbon-Intensity-Indicator (CII) ermittelt. Um die Anforderungen der IMO2023 zu erfüllen, stehen den Reedereien verschiedene Optionen offen. Sie reichen von der Auswahl günstigerer Routen über eine Reduzierung der Schiffsgeschwindigkeit zum Einsparen von Treibstoff bis zu Investitionen in effizientere Schiffe.
Autonome Frachtschiffe als ernstzunehmende Alternative für die Zukunft?
Moderne Frachtschiffe kommen schon heute mit einer im Verhältnis zu ihrer Größe sehr kleinen Besatzung aus. GPS und das Schiffsidentifikationssystem AIS (Automatic Identification System) sind im Seehandel der Standard und zugleich wichtige Bausteine, um Seefracht in Zukunft mit autonom agierenden Schiffen zu verschicken.
Die Vorteile für die Reedereien liegen auf der Hand: Personalkosten würden weitgehend wegfallen, zusätzlich entstehen auf den Schiffen größere Kapazitäten, da Räume für die Unterbringung der Crew oder Vorratsräume für den Proviant wegfallen. In Norwegen arbeitet das Technologie-Unternehmen Kongsberg bereits an einem autonomen Containerfrachter mit einer Länge von 79 Metern.
Bei Rolls-Royce in Großbritannien gibt es schon seit 2013 ähnliche Pläne, allerdings mit einem größeren Fokus für mögliche Einsatzbereiche. Anders als Kongsberg will Rolls-Royce zum Beispiel seine Containerfrachter und Tanker auf hohe See schicken. Langfristig sollen außerdem die Hafenvorrichtungen für das Be- und Entladen automatisiert werden.
Ob und wann sich autonome Schiffe für den Transport von Seefracht durchsetzen, ist vorläufig noch fraglich. Es braucht die richtigen infrastrukturellen Voraussetzungen, etwa um den sicheren Schiffsverkehr auf stark frequentierten Routen zu gewährleisten oder um den automatischen Umschlag in den Häfen realisieren zu können. Die Zukunft des Seehandels bleibt aber in jedem Fall spannend.
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